Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Der Makedonier

Der Makedonier

Titel: Der Makedonier Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Nicholas Guild
Vom Netzwerk:
warf!
    »Mutter der Schlachten«, flüsterte er. »Jungfräuliche Göttin, Herrin mit den blauen Augen, erhöre mein Gebet.«
    Zuerst wußte er nicht so recht, worum er beten sollte. Vielleicht war es auch gar nicht wichtig, da sie ihn, wenn sie ihn hörte, schon verstehen würde.
    »Athene, du weise Göttin, beschütze mich, wie du einst meinen Vorfahren beschützt hast, den göttlichen Herakles. Leih mir etwas von deiner Kraft und deiner Klugheit.«
    Allein schon das Aussprechen der Worte ermutigte ihn. Sein Herz fand Trost.
     
    Im ersten grauen Licht des Morgens merkte er überrascht und ein wenig erschrocken, daß er eingeschlafen war. Wenigstens hatte die Kälte ihn nicht getötet – oder vielleicht doch?
    Er spürte seine Füße nicht mehr. Doch als er dann versuchte, die Zehen zu bewegen, erkannte er an dem stechenden Kribbeln, daß er noch am Leben war.
    Ich muß von hier weg, dachte er, sonst ist die Gnade des Lebens nur noch von kurzer Dauer.
    Alastor schnaubte entrüstet, als Philipp ihn losband und ihm das Zaumzeug anlegte. Vorsichtig trotteten sie den schmalen, steinigen Pfad zum Hauptweg hinunter, denn noch war es etwa eine Viertelstunde bis zum Sonnenaufgang.
    Würden seine Verfolger ein wenig länger schlafen? Würden sie frühstücken, bevor sie wieder aufbrachen? Würden sie sich die Mühe machen, ein Feuer anzuzünden? Philipp wußte, daß sein Leben von solchen Nebensächlichkeiten abhing.
    Zwei Stunden nach dem Aufbruch mußte er feststellen, daß er nicht mehr genau wußte, wo er sich befand. Am Ta g zuvor war der Weg nicht zu verfehlen gewesen, aber hier sah die Landschaft nicht mehr so aus wie noch vor drei Monaten. Und immer wieder verzweigte sich der Pfad, so daß Philipp sich beinahe vorkam, als müßte er sich in einem Spinnennetz zurechtfinden.
    Vielleicht war das aber auch ein Vorteil. Solange er sich ungefähr in südöstlicher Richtung vorwärtsbewegte, konnte er nicht sehr weit von seinem Weg abweichen, aber die erschwerte Spurensuche hielt die Verfolger auf. Der Wind hatte Schneeverwehungen aufgetürmt und dabei lange Strecken des Pfads blankgefegt, so daß die Hufabdrücke seines Pferdes auf dem hartgefrorenen Boden kaum zu erkennen waren.
    Zum erstenmal fühlte er sich nun ein wenig sicherer, doch als er sich umdrehte, fiel sein Blick auf einen dampfenden Haufen Pferdekot etwa dreißig Schritt hinter ihm.
    »Alastor«, murmelte er, »es wäre besser, wenn du dich etwas beherrschen würdest.« Doch dann kam ihm eine Idee.
    Er stieg ab und begann, mit ein paar abgebrochenen Zweigen den Pferdekot in seine Decke zu schaufeln. Nach ein paar Minuten hatte er alle Spuren getilgt.
    »Darf man hoffen, daß du jetzt eine Weile an dich halten kannst?«
    Es würde nicht schwer sein, eine falsche Fährte zu legen. Zwar konnte er diese Finte nur ein einziges Mal anwenden, aber sie brachte ihm möglicherweise eine zusätzliche Stunde Vorsprung ein – und außerdem, wenn diese Männer ihn wirklich töten sollten, was sehr wahrscheinlich war, sah er keinen Grund, sich die Befriedigung, sie ein wenig zu quälen, zu versagen.
    Und was die Aussicht anging, die nächste Nacht in einer mit Pferdescheiße verschmierten Decke zu verbringen, so konnte er sich glücklich schätzen, wenn er bis dahin noch lebte, um diese Unannehmlichkeit zu ertragen.
    An der nächsten Gabelung stieg er ab und ließ Alastor mit schleifenden Zügeln stehen, ging etwa fünfzig Schritt weit den rechten Pfad hinunter, leerte dort seine Decke aus und kehrte dann zurück, um seinen Weg auf dem linken Pfad fortzusetzen.
    Am späten Nachmittag hatte Philipp ein schmales, nur etwa zwei Reitstunden breites, dicht bewaldetes Tal erreicht. Es war sehr schattig dort, und die immergrünen Bäume hielten den Wind ab, der Schnee lag deshalb höher. Es war unmöglich, unter solchen Bedingungen seine Spuren zu verwischen, er versuchte es deshalb gar nicht. Er ritt einfach weiter und hoffte, das Tal durchquert zu haben, bevor es zu dunkel wurde.
    Als er den Waldrand hinter sich gelassen hatte und der Boden unter den Hufen seines Pferdes wieder blank und hartgefroren war, drehte er sich um und sah, daß das Tal aus verschiedenen Richtungen zugänglich war. Inzwischen wußte er, daß seine Verfolger nicht mehr als ein oder zwei Stunden hinter ihm sein konnten, und wenn sie als Spurensucher etwas taugten, wußten sie es auch. An diesem Abend würden sie sich nicht mehr besonders beeilen, warum sollten sie auch, wo doch die Zeit so

Weitere Kostenlose Bücher