Der Makedonier
lonien. Die Huren waren unterwegs und machten rege Geschäfte. Nicht wenige Männer waren bereits ein wenig betrunken, und es wurde viel gelacht.
Das war die Stadt, in der Philipp ein Prinz aus dem königlichen Hause der Argeaden war, doch seine Heimkehr hatte nichts Außergewöhnliches. Hin und wieder rief jemand, der ihn kannte, seinen Namen und winkte, und einige starrten ihn an, als wäre er eine Sehenswürdigkeit, aber die meisten achteten nicht auf ihn. Als er durch die engen, überfüllten Straßen ritt, kam niemandem, am wenigsten ihm selbst, seine Anwesenheit besonders bemerkenswert vor.
Die Menschen waren zu sehr mit ihrem eigenen Leben beschäftigt, um sich groß um Prinzen zu kümmern; der König war weit weg und ruinierte sich selbst in irgendeinem Krieg, doch auch das schien wenig Beachtung zu finden. Erst als Philipp in den königlichen Bezirk einritt, wo die Straßen gepflastert waren, bemerkte er die lastende Stille, die eine Niederlage ankündigt. Ja, hier war die Wirkung der Nachrichten aus Thessalien deutlich zu spüren.
Er ließ Alastor bei den Knechten in den königlichen Stallungen. »Ist der Haushofmeister des Königs irgendwo im Palast?« fragte er in der Küche, denn wie es seine Gewohnheit war, hatte er den Palast seiner Vorväter durch den Dienstboteneingang betreten.
»Wahrscheinlich zu Hause«, erwiderte eine der Küchenmägde, eine Frau, die Philipp schon mit Apfelstückchen gefüttert hatte, als er noch kaum laufen konnte. Er bemerkte, daß sie ihren Kameradinnen verstohlene Blicke zuwarf, als hüteten sie alle ein Geheimnis, aber er sagte nichts.
»Dann werde ich dort nach ihm suchen, Kinissa. Ich danke dir«, antwortete er dieser Frau, die er schon ein ganzes Leben lang kannte.
Kaum war er in die Straße eingebogen, in der er als Kind gespielt hatte, wußte er, was diese Blicke bedeutet hatten. Und als er zum Dachfirst von Glaukons Haus hochsah, beschlich ihn eine eigentümliche Angst, als würde er sein Heim plötzlich nicht mehr wiedererkennen.
Kein Rauch stieg aus dem Kamin hoch. Das Herdfeuer, das Alkmene nie hatte ausgehen lassen, seit sie als Braut dieses Haus betreten hatte, war erloschen.
Heimlich und leise, fast wie ein Räuber, öffnete Philipp die Tür und trat ein. Das erste, was er sah, war Glaukon, der niedergeschlagen auf einem Hocker neben dem Herdsaß, die Arme auf die Knie gestützt. Er sah aus, als hätte er seit Tagen nicht geschlafen.
Als er nach einer Weile Philipps Anwesenheit spürte, hob er den Kopf.
»Deine Mu…« Er unterbrach sich und schluckte schwer, wie um einen bitteren Geschmack aus seinem Mund zu spülen. »Alkmene ist tot.«
10
DER KÖNIG VON Makedonien schien in seiner Person alle Schwächen und Torheiten der Jugend zu vereinigen: Er suchte sich die falschen Freunde, hörte auf keinen Rat und überschätzte auf groteske Weise sowohl seine Stärke wie seine Fähigkeiten. Zeit, diesen Fehlern zu entwachsen, würde er keine haben, denn zusammen mit seinem starken Hang zum Krieg würden sie zuvor zur Vernichtung des Landes führen. Die jüngste Katastrophe in Thessalien hatte Ptolemaios, ganz unabhängig von seinem persönlichen Ehrgeiz, zu der Überzeugung gebracht, daß er Mittel und Wege finden mußte, um Alexandros loszuwerden. Es war geradezu seine Pflicht, für Alexandros’ Ermordung zu sorgen.
Gelegenheiten durfte man sich nicht entgehen lassen. In Thessalien war Alexandros kurz davor gewesen, einen Schutzwall gegen die Bedrohung aus dem Süden zu errichten. Jason von Pherai war gegen Larisa marschiert und hatte die Aleuaden vertrieben, die, wie jeder wußte, niederträchtige Räuber waren und nichts anderes im Sinn hatten, als ihre Nachbarn auszuplündern. Die Larisaner hatten ihre Vertreibung mit Sicherheit begrüßt. Aber Jason war erschlagen und sein Nachfolger vergiftet worden, und die Aleuaden hattenAlexandros gebeten, ihnen bei der Wiedererlangung der Macht behilflich zu sein.
Alexandros’ Zustimmung war richtig gewesen: In ; Pherai herrschte Chaos, und wenn die regierende Familie erst einmal aufgehört hatte, sich gegenseitig umzubringen, und sich auf einen neuen Tyrannen geeinigt hatte, wäre es für Makedonien von Vorteil gewesen, mit den Aleuaden eine Sippe an der Macht zu haben, die Alexandros verpflichtet war. Nicht leugnen konnte man, daß Alexandros’ Einnahme von Larisa ein soldatisches Glanzstück gewesen war. Das Problem lag darin, daß der junge Narr einfach keine Ahnung hatte, wann er aufhören
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