Der Makedonier
mußte.
Er hätte sich nach diesem kleinen Sieg einfach zurückziehen sollen. Aber nein, das paßte nicht in sein Bild eines großen Eroberers, und deshalb fing er an, entlang des Flusses Peneos Garnisonen zu errichten. Merkte der Idiot denn nicht, daß er dafür keine Männer übrig hatte, daß die nördlichen Grenzen, wo die wirklichen Gefahren drohten, wegen dieses kleinen Abenteuers nun ungeschützt dalagen, daß eine Stärkung des Südens weder notwendig war, noch er dafür die nötigen Soldaten hatte? Hatte denn Ptolemaios, sein Verwandter und Freund, der seinen ersten Feind schon zehn Jahre vor Alexandros’ Geburt getötet hatte, ihn nicht daraufhingewiesen? Natürlich hatte er das, immer und immer wieder. Aber der König hatte nur Ohren für jene, die ihm sagten, daß er der wiedergeborene Achill und dazu bestimmt sei, wie ein Koloß ganz Griechenland zu durchmessen.
Nun, die Garnisonen hatten nichts anderes erreicht, als ganz Thessalien gegen den »Eindringling aus dem Norden« zu vereinen und Theben einen Vorwand zu geben, sich mit einer Armee unter keinem geringeren Anführer als Pelopidas einzumischen. Kaum zwei Monate nach seinem Marsch in den Süden fand Alexandros sich innerhalb seiner eigenen Grenzen wieder, nur diesmal mit einer feindseligen böotischen Armee im Rücken.
Wenigstens hatte Alexandros inzwischen das Ausmaß seiner Torheit erkannt. Nach zwei Tagen mürrischen Schweigens in seinem Zelt, in denen er zu niedergeschlagen war, um auch nur hinauszutreten und sich seinen Soldaten zu zeigen, hatte er Ptolemaios in Pelopidas’ Lager geschickt, um ihn nach seinen Bedingungen für einen Rückzug zu fragen.
Die Thebaner waren in der Überzahl, doch sie hatten genug erlebt, um in feindlichem Gebiet vorsichtig zu sein, und deshalb fing eine berittene Patrouille Ptolemaios schon eine gute Stunde vor ihren äußeren Verteidigungsstellungen ab. Es schien sie zu überraschen, daß er allein ritt, aber er hatte sich gegen eine Eskorte entschieden, denn die paßte nicht so recht zur Demutshaltung eines Bittstellers, und außerdem wollte er nicht, daß außer seinem eigenen auch noch andere Berichte über dieses Treffen zu Alexandros drangen.
Er brachte sein Pferd zum Stehen und ließ sich von den thebanischen Reitern umringen.
»Ich bin ein Gesandter des Königs von Makedonien«, sagte Ptolemaios und sah sie mit der leicht gelangweilten Miene an, die die natürliche Verteidigung eines Diplomaten gegen die Angst ist. »Ich komme, um mit dem Heerführer zu verhandeln.«
Niemand antwortete ihm – sie waren nur Soldaten, und er in ihren Augen nur ein gewöhnlicher Gefangener. Einer von ihnen, den eher sein Gebaren als seine Uniform als Hauptmann der Patrouille auswies, ritt an Ptolemaios’ Pferd heran und ergriff die Zügel. Der Gesandte des Königs unterwarf sich ihm schweigend und ließ sich in das thebanische Lager führen.
Unterwegs hatte er genügend Zeit, um über die entsetzliche Demütigung nachzudenken, die es bedeutete, so vor einen Mann wie Pelopidas gebracht zu werden,einen Pelopidas, der mit kaum anderen Waffen als seinem eigenen Wagemut und der Hilfe weniger gleichgesinnter Freunde sein Exil verlassen hatte, um seine Stadt vom Joch des Eroberers zu befreien, und dann weitergezogen war, um, anscheinend für immer, die Macht der Spartaner zu brechen. Was mußte so ein ; Mann von Alexandros denken, dem Knabenkönig von Makedonien, der in einem Anfall jugendlicher Eitelkeit sich und sein Land ruinierte? Und mit welcher Verachtung mußte er den Botschafter dieses Königs betrachten?
Daß Alexandros Ptolemaios zu einer solchen Erniedrigung gezwungen hatte, verstärkte nur den Groll, den er gegen seinen König hegte. Aber er tröstete sich mit dem Gedanken, daß die Rechnung zwischen ihnen eines Tages beglichen werden würde. Und daß dieser Tag nicht mehr weit entfernt war.
Doch darüber durfte er nicht vergessen, sich zu überlegen, wie er seine augenblickliche Rolle am vorteilhaftesten spielte. Wen würde Pelopidas erwarten? Den Bauern aus dem Norden, der seinem Herrn treu ergeben war wie ein Hund? Oder den Intriganten, der nur darauf lauerte, hinter dem Rücken seines Königs zu seinem persönlichen Vorteil zu verhandeln? Oder eine Mischung aus beiden, da doch, wie die Götter nur zu gut wußten, die übrige Welt dazu neigte, die Makedonier als verschlagene Einfaltspinsel zu betrachten?
Oder vielleicht nur den graubärtigen Staatsmann, den Ältesten seiner Dynastie, dessen Treue dem
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