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Der Makedonier

Der Makedonier

Titel: Der Makedonier Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Nicholas Guild
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und, die Hände in den Schoß gelegt, auf eine Antwort wartete. Vor allem deshalb sah Arsinoe ihr nicht in die Augen, sondern hielt den Blick auf den Boden geheftet.
    Sie hatte etwas ganz anderes erwartet, als sie sich an ihre Mutter gewandt hatte, weil sie nicht wußte, was sie sonst tun sollte. Tränen vielleicht. Oder daß man sie unter Flüchen aus dem Haus jagte. Aber auf keinen Fall dieses ernste, gefaßte Gesicht, das erstarrte Schweigen, in dem der Klang der Stimme ihrer Tochter zu verwelken und abzusterben schien. Und am Ende die Stimme, in der kein Mitleid, nicht einmal Bedauern mitschwang: »Du mußt mit unserer Herrin Eurydike reden, weil Amyntas der Vetter deines Großvaters war und weil du ihren Sohn als den Vater angibst. Sie muß diese Sache regeln, wie sie es für richtig hält.«
    »Weil du ihren Sohn als den Vater angibst.« Wie diese Worte ihr ins Herz gestochen hatten.
    Aber wenigstens fand dieses Gespräch im Empfangszimmer der Königsmutter statt – wenigstens das Grinsen und die Sticheleien des versammelten Hofstaats hatte man ihr erspart. Zumindest für den Augenblick.
    »Anfang des dritten Monats, meine Herrin.«
    »Weißt du das so genau? Du überraschst mich.«
    »Meine Regel ist zweimal ausgeblieben, Herrin. Und Prinz Philipp ist seit zwei Monaten und acht Tagen weg. Er war bei mir in der Nacht, bevor er ging.«
    »Ein günstiger Zeitpunkt für seine Abreise, da er soden Beischlaf nicht bestreiten kann – mein Sohn ist noch sehr jung, Arsinoe. Und du hattest seitdem keine Liebhaber?«
    »Nein, meine Herrin.«
    »Aber du hattest andere vor ihm?«
    Es war nicht als Frage gemeint. Arsinoe hob nur kurz den Blick und sah sofort, daß sie keine Geheimnisse mehr hatte. Eurydike wußte alles. Ihre Mutter hatte es vielleicht vermutet, aber Eurydike wußte es. Der Ausdruck in diesen Augen ließ keinen Zweifel zu.
    »Einen, Herrin, aber er ist nicht der Vater.«
    »Wie lange ist das her, mein Kind?«
    Das Lächeln der Königsmutter wurde ein wenig breiter, und Arsinoe erkannte überrascht, daß man sie hereingelegt hatte. Aber natürlich, was konnte ein kleines Mädchen denn schon gegen die Gerissenheit des Alters ausrichten?
    Lügen war sinnlos.
    »Sechs oder sieben Monate. Und nur einmal. Ich bin keine Hure, Herrin.«
    Sie sah diese Frau mit tiefstem Haß an. Jeder wußte, daß Eurydike jahrelang das Bett des alten Königs besudelt hatte. Viele sagten, daß sie und Prinz Ptolemaios ihn ermordet hatten. Was waren im Vergleich dazu Arsinoes kleine Fehltritte?
    Und doch war es Eurydike, die da über sie zu Gericht saß, so als würde sie mit Heras Stimme sprechen.
    »Natürlich nicht, mein Kind. Wenn du sagst, daß du keine Hure bist, dann bist du auch keine. Aber du wirst mir verzeihen, wenn ich nicht ganz glaube, daß die Last in deinem Bauch wirklich von meinem Sohn stammt.
    Andererseits gehörst du natürlich zu unserem Geschlecht…«
    Während des Schweigens, das nun folgte, wurde Arsinoe das Gefühl nicht los, daß es vollkommen unwichtig war, was aus ihr werden würde. Jetzt war alles zu spät.
    Sie hatte gehofft, vielleicht Philipps Frau zu werden, aber dieses Spiel hatte sie verloren. Philipps Frau…
    Eurydikes Augen funkelten triumphierend. Warum machte ihr diese Angelegenheit nur so viel Spaß? Wessen Glück glaubte sie denn zu zerstören?
    Ja. Wie mußte sie ihren Sohn hassen?!
    »Andererseits gehörst du natürlich zu unserem Geschlecht, und ich kann nicht zulassen, daß du dich selbst zugrunde richtest.« Die Mutter ihres Geliebten drückte den Rücken durch wie eine Katze, die sich in der Sonne streckt. »Wir müssen dich verheiraten, damit das Kind nicht als Bastard auf die Welt kommt. Du wirst einen Gatten bekommen, allerdings keinen solchen, wie du ihn dir vorstellst. Keinen, der deiner Eitelkeit so schmeichelt, wie es mein Sohn vielleicht getan hätte.«
     
     
    Als König hatte Perdikkas die Pflicht, bei der Hochzeit seiner Base den Gastgeber zu spielen, aber glücklicherweise wurde von ihm an diesem Tag nicht mehr als seine Anwesenheit verlangt. Das war genug. Er fand keine Freude an diesen Familienpflichten, und bevor er erfuhr, daß sie Lukios heiraten sollte, hatte er Arsinoe kaum je Beachtung geschenkt.
    Lukios war, obwohl ein Ochse und ein Narr, ein großer Freund des Prinzen Ptolemaios – und jetzt um so mehr, da der Regent für ihn eine Frau gefunden hatte, die weniger als halb so alt war wie er. Die Dankbarkeit des Mannes war für den Betrachter fast so peinlich wie

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