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Der Makedonier

Der Makedonier

Titel: Der Makedonier Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Nicholas Guild
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seine Lüsternheit, und es war abstoßend, zusehen zu müssen, wie er das Mädchen während des Hochzeitsmahls begrapschte, als könne er sich jetzt, da die eigentliche Zeremonie vorüber war, kaum noch beherrschen und würde sie am liebsten auf der Stelle bespringen. Sie ertrug es mit einer Gelassenheit, die fast schon an Gefühllosigkeit grenzte. Man hätte sie beinahe bedauern können.
    »Schau ihn dir an«, flüsterte Ptolemaios, während erPerdikkas, der neben ihm saß, Wein nachgoß. »Je betrunkener er wird, desto liebestoller wird er auch, und er ist sehr liebestoll. Ihre Hochzeitsnacht wird bestimmt ein lustiges Schauspiel. Fast schade, daß ich nicht dabei sein kann.«
    Perdikkas bekam mit jedem Tag, die seine Herrschaft währte, mehr Angst vor seinem Stiefvater. Und am meisten fürchtete er ihn, wenn er den engen Freund und Vertrauten spielte. Es war fast so, als würde man einer Schlange zusehen, die sich windet, um ihre hübsche Haut herzuzeigen.
    »Vielleicht kannst du doch dabeisein«, erwiderte Perdikkas und bemühte sich dabei, seine Stimme so ausdruckslos wie möglich zu halten. »Schau doch nur, unser Lukios scheint fest entschlossen, die Ehe vor unseren Augen zu vollziehen.«
    Das brachte Ptolemaios zum Lachen. Er warf den Kopf zurück und brüllte vor Vergnügen, bis ihm die Tränen in die Augen traten.
    Dann legte er Perdikkas den Arm um die Schultern und zog ihn an sich.
    »Er weiß es zwar noch nicht, aber diese Vereinigung hat sich bereits als fruchtbar erwiesen. Die Dame ist schon schwanger.«
    Der Regent lachte noch einmal, und als er sich wieder beruhigt hatte, sahen sie beide zu, wie der Bräutigam am anderen Ende der Tafel eine Brust seiner neuen Frau in die Hand nahm und ihr seine feuchten, bärtigen Lippen auf den Hals drückte.
    »Wie es aussieht, hat dein Bruder dieses Feld bereits vor ihm bestellt.«
    »Was! Alexandros?« Perdikkas war verblüfft. »Ich hätte nie gedacht…«
    »Sei doch kein solcher Dummkopf, mein Sohn. Alexandros ist seit vier Monaten tot. Nein, die Ehre gebührt Philipp.«
    »Philipp?«
    Ptolemaios nickte ernst, doch in seinen Mundwinkeln zuckte ein Lächeln.
    »Philipp. Zumindest hat das Mädchen das vor deiner Mutter behauptet.«
    »Philipp?« So verwirrt, wie Perdikkas war, wußte er nicht genau, ob er nun überrascht, wütend oder neidisch sein sollte. Schließlich war Philipp ein Jahr jünger als er. Warum war es immer Philipp, der…? »Was wird Lukios tun, wenn er es herausfindet?«
    »Da Lukios ein solcher Trottel ist, wird sie es vielleicht schaffen, ihn davon zu überzeugen, daß das Kind nur früh dran ist, und wenn nicht, was kann er schon tun?« Der Regent schob seinen Stiefsohn von sich weg und gab ihm einen gutgemeinten Klaps auf den Rücken. »Vielleicht schlägt er sie, wenn er sich danach fühlt, aber er wird weder sie noch ihre Brut verstoßen. Nicht einmal Lukios ist so dumm. Schließlich habe ich die Heirat für ihn eingerichtet, und er wird nie erfahren, wer der wirkliche Vater ist. Er darf es nie erfahren. Er wird stillhalten. Aber im Augenblick fühlt sich Lukios schwer in meiner Schuld.« Er lachte noch einmal. »Ein köstlicher Witz, nicht wahr, mein Sohn?«
    Plötzlich spürte Perdikkas, wie die Angst ihm die Kehle zuschnürte. Dieser Mann betrügt aus reiner Lust am Betrügen, dachte er. Wenn er seinen Freund betrügt, würde er dann nicht auch den Sohn seiner Frau betrügen? Würde er dann nicht auch seinen König betrügen?
    Mein Sohn. Was bedeutete einem Mann wie Ptolemaios denn schon die Treue zu seiner Familie oder zu seinem König?
    Und plötzlich war ihm völlig klar, was er schon die ganze Zeit gewußt, aber nie hatte wahrhaben wollen, daß nämlich Philipp recht hatte, daß Ptolemaios hinter dem Mord an Alexandros stand. Praxis war nie mehr als sein Werkzeug gewesen – und deshalb hatte er auch sterben müssen, bevor er Gelegenheit hatte, den Namen seines Mittäters zu nennen.
    Und bevor ich in das Alter komme, in dem ich ihm die Macht streitig machen könnte, wird er auch mich umbringen.
    Das Leben, sein eigenes Leben rieselte Perdikkas durch die Finger wie Sandkörner.
    Ich bin ein toter Mann, dachte er.
     
     
    Arsinoes Hochzeitsnacht war, zumindest in gewisser Hinsicht, weniger schlimm, als sie befürchtet hatte. Als man sie schließlich ins eheliche Gemach führte, war der Bräutigam schon viel zu betrunken, um sein Recht einzufordern, ja, sie mußte ihm sogar ins Bett helfen, wo er bald darauf einschlief, seine

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