Der Maler und die Lady (German Edition)
rückhaltlosem Sex.
Nach dieser raschen, für ihn typischen Beurteilung war sich Anatole darüber im Klaren, dass es nicht leicht sein würde, Lara etwas vorzumachen. Wie immer er auch mit Fairchild verfuhr, bei seiner Tochter würde er vorsichtig sein müssen. Außerdem begriff er in diesem Moment, dass er mit ihr schlafen wollte. Nun war erst recht Vorsicht geboten.
„Anatole“, sagte Lara leise, und doch übertönte ihre Stimme die lautstarken Worte ihres Vaters. „Sie haben uns also gefunden. Kommen Sie herein, Papa ist fast fertig.“
„Fertig? Ja, mit den Nerven. Und daran ist mein einziges Kind schuld!“ Fairchild ging Anatole entgegen. „Sie erklärt, ich sei anmaßend. Nun frage ich Sie, darf eine Tochter das von ihrem Vater sagen?“
„Nehmen Sie einen Aperitif?“, fragte Lara. Die Grazie, mit der sich Lara aus dem Sessel erhob, hatte Anatole bisher immer nur bei großen, sehr schlanken Frauen beobachtet.
„Ja. Vielen Dank.“
„Gefällt Ihnen Ihr Zimmer?“ Lächelnd nahm Fairchild auf dem Sofa Platz.“
„Es gefällt mir sehr.“ Es ist wohl das Beste, überlegte Anatole, so zu tun, als wäre alles in schönster Ordnung. Heuchelei war schließlich Teil seiner Aufgabe. „Sie besitzen ein … hm, ungewöhnliches Haus.“
„Ich liebe es.“ Zufrieden lehnte Fairchild sich zurück. „Ein reicher,aber zugleich verrückter englischer Lord hat es kurz vor der Jahrhundertwende erbaut. Lara, du führst Anatole morgen einmal herum, ja?“
„Natürlich.“ Sie reichte Anatole den Drink und sah ihm lächelnd in die Augen. Diamanten, kalt wie Eiskristalle, glitzerten an ihren Ohren. Anatole merkte, wie sein Verlangen erwachte.
„Ich freue mich darauf.“ Sie hatte Format. Ob angeboren oder anerzogen, für Anatole stand fest: Miss Fairchild besaß Stil.
Sie lächelte ihm über den Rand des Glases zu, und in ihrem Kopf kreisten haargenau dieselben Gedanken, die Anatole sich gerade eben über sie gemacht hatte. „Wir geben uns Mühe mit unseren Gästen.“
Anatole war ein vorsichtiger Mann, und deshalb wandte er sich wieder an Fairchild. „Ihre Kunstsammlung kann mit einem Museum konkurrieren. Der Tizian in meinem Zimmer ist sensationell.“
Der Tizian! Panischer Schrecken befiel Lara. Wie hatte sie den vergessen können! Und was jetzt? Nun spielte es keine Rolle mehr, denn nun konnte sie die Situation auch nicht mehr retten.
„Die Hudsonszene an der Westseite des Zimmers“, wandte Anatole sich an Lara, die sich gerade wieder gefangen hatte, „… ist das Ihre Arbeit?“
„Meine … oh, ja.“ Sie lächelte, als sie an das Bild dachte. Um den Tizian würde sie sich bei nächster Gelegenheit kümmern. „Ich hatte es ganz vergessen. Leider ist es reichlich sentimental. Damals verbrachte ich hier die Ferien und war hoffnungslos in den Sohn des Chauffeurs verknallt. Wir trafen uns immer da unten.“
„Er hatte vorstehende Zähne“, erinnerte sich Fairchild verächtlich.
„Liebe macht blind“, bemerkte Lara.
„Dass du dir ausgerechnet das Ufer des Hudson River erwählen musstest, um die ersten Erfahrungen in Liebesdingen zu machen …“ sagte ihr Vater plötzlich ernst. Er ließ den Drink im Glas kreisen und kippte ihn dann hinunter.
Das unvermutete väterliche Missfallen reizte Lara, das Thema noch ein wenig auszuschlachten. „Ich habe meine Jungfräulichkeit nicht am Hudson River verloren.“ Der Schalk blitzte in ihren Augen.„Das geschah in einem Renault in Paris.“
„Es ist serviert“, erklang die würdevolle Stimme des Butlers von der Tür.
„Das wurde auch Zeit.“ Fairchild sprang auf. „Hier kann man ja im eigenen Hause verhungern.“
Lächelnd blickte Lara ihrem davoneilenden Vater nach und bot Anatole den Arm. „Gehen wir?“
Im Esszimmer hingen vorwiegend Fairchilds Bilder. Ein gewaltiger Kronleuchter spendete verschwenderisches Licht. Auf dem mit einer Decke aus bretonischer Spitze gedeckten Mahagonitisch funkelten Kristallgläser und Tafelsilber. Die Luft war erfüllt vom Duft brennender Holzscheite, Kerzen und gebratenem Fleisch. In dem wuchtigen Kamin prasselte ein loderndes Feuer. Aber bei all dem Glanz dominierten dennoch die Bilder.
Der Künstler schien keiner bestimmten Stilrichtung anzuhängen. Die Kunst selbst war sein Stil, ganz gleich, ob es sich um eine weitläufige, von Licht durchflutete Landschaft oder ein zartes, schattenhaftes Porträt handelte. Kühne oder nur angedeutete Pinselstriche, mit dem Messer aufgetragene Ölfarbe oder
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