Der Maler und die Lady (German Edition)
„Warum erhebst du nicht Klage?“
„Welchen Sinn sollte das haben?“, fragte Lara. Sie stellte den Messingvogel wieder zurück, kehrte aber sofort wieder zum Fenster zurück. Für sie war das Thema ein für allemal erledigt. „Stuart und Melanie sind ruiniert, beide von der Gesellschaft ausgeschlossen, die ihnen so viel bedeutete. Sind sie nicht genug bestraft?“
„Melanie hat zweimal versucht, dich zu töten.“ Unversehens machte ihn Laras ruhige Gleichmut wahnsinnig. Er ging zu ihr und drehte sie zu sich herum. „Siehst du das denn nicht, Lara, sie wollte deinen Tod.“
„Sie wäre fast ums Leben gekommen.“ Immer noch wirkte Lara teilnahmslos. „Die Polizei wird meine Geschichte glauben müssen, dass der Schuss sich zufällig löste, auch wenn andere das nicht tun. Natürlich kann ich Melanie einsperren lassen. Und wie würde ich mir dabei vorkommen, Harriets Leid mit ansehen zu müssen?“
Anatole unterdrückte seine Ungeduld und schaute aus dem Fenster. „Sie macht sich Sorgen um dich.“
„Harriet?“ Lara zuckte mit den Schultern. „Dazu besteht kein Grund. Wenn du sie siehst, richte ihr bitte aus, es ginge mir gut.“
„Das kannst du ihr selbst sagen, wenn wir zurückkommen.“
„Wir?“, fragte Lara leicht irritiert. Anatole fühlte sich erleichtert wie nie. „Ich werde noch eine Weile hierbleiben“, fügte Lara hinzu.
„Sehr schön. Ich habe mir nichts Besonderes vorgenommen.“
„Mir war nicht bewusst, dich eingeladen zu haben.“
„Das hat Harriet bereits getan“, erwiderte Anatole leichthin. Innerlich begann Lara zu kochen, während Anatole den Blick angelegentlich im Zimmer umherschweifen ließ. „Das Haus ist groß genug für zwei.“
„Da irrst du dich gewaltig.“ Abrupt drehte sie sich um und ging zur Treppe. Nach wenigen Schritten hatte Anatole die Flüchtende erreicht und hielt sie am Arm fest. Wütend wirbelte sie herum. Er sah sie an und erkannte, die Zigeunerin war zurückgekehrt.
„Glaubst du allen Ernstes, ich ließe dich gehen? Du enttäuschst mich, Lara.“
Stocksteif stand Lara vor ihm. Anatole legte die Hände auf ihre Schultern. „Diesmal wirst du mir zuhören, und zwar von diesem Augenblick an.“
Leidenschaftlich, wie er es sich seit Wochen gewünscht hatte, presste er den Mund auf ihre Lippen. Sie wehrte sich nicht, erwiderte seinen Kuss aber auch nicht. Und doch spürte er, dass sie einen inneren Kampf ausfocht, der einen oder anderen Regung nachzugeben. Er war gewiss, Lara würde sich seiner Leidenschaft hingeben, aber dann würde er sie vielleicht nie wirklich besitzen. Ihre Blicke trafen sich. Langsam richtete Anatole sich auf.
„Die Zeit meiner Buße ist fast um“, flüsterte er. „Mit jedem Augenblick, den ich von dir getrennt war, in jeder Nacht, die du nicht bei mir warst, habe ich für meinen Fehler bezahlt. Wann hörst du auf, mich zu bestrafen?“
„Es liegt nicht in meiner Absicht, dich zu bestrafen.“ Es stimmte denn sie hatte ihm längst verziehen. Aber ihr Vertrauen, jener starke Schutzschild in ihrem Leben, hatte einen deutlichen Riss bekommen. Lara trat ein paar Schritte zur Seite. Diesmal hielt Anatole sie nicht auf. „Wir haben uns im Bösen getrennt. Wir sollten einsehen, dass wir beide einen Fehler gemacht haben. Mir ist klar geworden, dass du getan hast, was du tun musstest. Ich habe es stets ebenso gehalten. Es ist an der Zeit, dass jeder in sein gewohntes Leben zurückkehrt.“
Anatole fühlte leichte Panik in sich aufkommen. Lara war viel zu ruhig. Jede Art einer Gefühlsäußerung wäre ihm im Augenblick recht. „Was für ein Leben würden wir denn führen, einer ohne den anderen?“
Eines, das nicht lebenswert war … Aber Lara schüttelte nur den Kopf. „Ich sagte bereits, wir haben einen Fehler …“
„Und jetzt wirst du mir gleich sagen, dass du mich nicht liebst.“ Lara sah ihm in die Augen und öffnete leicht den Mund, um zu antworten.
Sie wurde schwach. Ihr Blick glitt über seine Schulter. „Nein, ich liebe dich nicht, Anatole. Es tut mir leid.“
Der Schlag hätte fast gesessen – wenn Lara nicht im letzten Moment die Augen abgewandt hätte. „Ich dachte, du könntest besser lügen.“ Er riss sie an sich und hielt sie sicher und fest in den Armen. Es war wie früher, nichts hatte sich zwischen ihnen geändert. „Ich habe dir zwei Wochen Zeit zum Nachdenken gelassen, Lara. Vielleicht hätte ich dir mehr zugestehen müssen, aber ich kann nicht.“ Anatole vergrub das Gesicht in ihrem Haar.
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