Der Maler und die Lady (German Edition)
er fest, es war ein Cembalo. Die ein wenig hohl klingende Musik erfüllte den Raum. Lara spielte Bach. Anatole erkannte den Komponisten und fragte sich, ob seine Phantasie ihm etwas vorgaukelte. Das war doch nicht möglich, dass ein normaler Mensch im zwanzigsten Jahrhundert mitten in den Vereinigten Staaten auf einem Cembalo Bach spielte.
Fairchild saß da und hatte die Augen halb geschlossen. Mit einem dünnen Finger schlug er den Takt zu Laras Spiel. Ihr Blick war verhangen, ein ernster Zug lag um ihren feuchten Mund. Plötzlich zwinkerte sie Anatole zu, ohne dabei auch nur eine Note auszulassen. Sie improvisierte in eine Komposition von Brahms. In diesem Moment stand es für Anatole fest: eines Tages würde er mit ihr schlafen, und er würde sie malen.
„Endlich!“ Fairchild sprang auf und lief wie ein aufgescheuchtes Huhn durchs Zimmer. „Ich habe ihn, den goldenen Einfall. Die Muse hat mich geküsst!“
„Amen“, murmelte Lara.
„Ich werde es dir beweisen, du böses Kind.“ Wie ein Satyr grinsend,lehnte er sich über das Cembalo. „Warte nur bis zum Wochenende. Dann zeige ich dir ein Kunstwerk, das alle deine bisherigen Schöpfungen in den Schatten stellen wird.“
Lara zog die Brauen hoch und drückte ihrem Vater einen Kuss auf die Lippen. „Leere Versprechungen!“
„Deine Worte werden dir noch leid tun“, widersprach er und sauste aus dem Zimmer.
„Ich hoffe nicht“, bemerkte Lara trocken, erhob sich und griff nach ihrem Glas. „Papa huldigt einem unerträglichen Konkurrenzdenken.“ Auch wenn sie es nicht zugab, es missfiel ihr keineswegs. „Noch einen Brandy?“
„Ihr Vater ist eine … unglaubliche Persönlichkeit.“ Der Brillant an Laras Finger funkelte, als sie in ihr Glas nachschenkte. Sie hatte schmale Hände, und der kalte Glanz des Steins ließ sie zerbrechlich erscheinen. Während Anatole die wenigen Schritte zur Bar zurücklegte, ging es ihm durch den Kopf, dass diese Hände kräftig zupacken konnten. Kraft war für einen Künstler unabdingbar.
„Sie drücken sich sehr gewandt aus.“ Lara drehte sich um und sah zu ihm hoch. Auf ihren Lippen lag ein rosiger Schmelz. „Sie sind ein außerordentlich diplomatischer Mensch, nicht wahr, Anatole?“
Anatole wusste bereits, dass er dem Unschuldslächeln nicht trauen durfte. „Unter gewissen Umständen.“
„Unter fast allen Umständen. Zu schade.“
„Fin den Sie?“
Lara machte sich einen Spaß daraus, bei jeder Gelegenheit Blickkontakt zu ihrem Gesprächspartner zu suchen. Und deshalb sah sie Anatole auch jetzt unverwandt an, während sie an ihrem Glas nippte. Ihre Augen waren von reinstem Grau, ohne den geringsten Hauch einer anderen Farbe. „Ich glaube, Sie könnten ein höchst interessanter Mensch sein, wenn Sie nicht so zugeknöpft wären. Bestimmt überlegen Sie alles sehr sorgfältig.“
„Betrachten Sie das als Problem?“, fragte er kühl. „Nach der kurzen Zeit unserer Bekanntschaft ist das eine bemerkenswerte Beobachtung.“
Langweilig ist er gewiss nicht, stellte Lara fest und freute sich über Anatoles Verstimmung. Mangel an Gefühlsregung empfand sie alsnervtötend. „Es war nicht schwer, bereits nach einer Stunde diese Feststellung zu treffen, denn ich kenne ja Ihre Arbeiten. Neben Ihrer Begabung besitzen Sie Selbstbeherrschung, Würde und einen ausgeprägten Sinn für das Konventionelle.“
„Warum komme ich mir so vor, als hätte man mich beleidigt?“
„Und obendrein haben Sie eine scharfe Auffassungsgabe.“ Laras Lippen verzogen sich langsam zu jenem feinen Lächeln, das Anatole so faszinierend fand. Als er es erwiderte, hatte Lara sich blitzschnell entschieden. Schon immer war sie eine Freundin schneller Entschlüsse. Sie stellte das Glas ab, ließ Anatole aber keinen Moment aus den Augen. „Ich bin impulsiv“, erklärte sie. „Ich will wissen, was für ein Gefühl das ist.“
Sie legte die Arme um ihn und küsste ihn.
Völlig aus der Fassung gebracht, erweckte die Berührung bei Anatole eine vage Erinnerung an den Duft von Rauch und Rosen, unglaubliche Zartheit und zugleich Kraft. Lara lächelte immer noch, als sie zurücktrat und den Brandy mit einem Zug austrank. Der flüchtige Kuss war ein Spaß, aber weitaus größeres Vergnügen hatte es ihr bereitet, Anatole zu schockieren.
„Ganz nett“, bemerkte sie mäßig begeistert. „Frühstück gibt es ab sieben Uhr. Läuten Sie nach Cards, wenn Sie etwas brauchen. Gute Nacht.“
Lara wandte sich zum Gehen, aber Anatole ergriff
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