Der Mann auf dem Einhorn
und Kamine. Ein winterkahler Baum kam näher und warf die Schneelast seiner Äste auf den Reiter und das Pferd. Torasc schüttelte sich nur und fühlte schwach die Stöße des harten Pferderückens. Vor dem nächsten Tor, das durch Bretterverschläge und umgestürzte Wagen blockiert war, zügelte er den Rappen.
Er nahm einen Speer, wartete und zielte. Undeutlich erkannte er einen Brunnen, über dem sich die dicken Äste schwarzer Bäume reckten. Er holte aus und schleuderte den Speer, der durch die Luft pfiff und sich mit einem dumpfen Schlag tief in die borkige Rinde bohrte. Ein knisterndes Geräusch war zu hören, dann folgte ein tiefes Summen, das die Mauern zu erschüttern schien.
Torasc stieß ein höhnisches Gelächter aus und riss das Tier herum. Er ritt weiter, hinter Hester her. Er wusste, dass sich in den nächsten Stunden der Baum schütteln und bewegen würde. Mitten in der Nacht noch würde der Baum zu trügerischem Leben erwachen und am Morgen, beim ersten Licht, hatte er grüne Blätter. Auch dies war ein magisches Zeichen für die Kräfte des zweiten Reiters. Heilloser Schrecken würde die Stadtbewohner packen.
Das fahle Summen und das Knistern wurden leiser, der Reiter entfernte sich vom Brunnentor und ritt schneller. Er hetzte hinter dem Königssohn her. Das Wolfsgeheul wies ihm den Weg; Hester musste sich im Süden der Stadt befinden.
»Ich werde es ihnen allen zeigen!« knurrte Torasc, während der starke Hengst mit wippendem Stirnhorn unter den Mauern dahinpreschte.
Für Torasc bestand kein Zweifel mehr: Er war der eigentliche Reiter, der den Städtern zeigte, dass die Caer und Feithearn die Stadt in ihrem Griff hatten und niemals mehr loslassen würden, gleichgültig, ob Einhornreiter um die Mauern galoppierten, Rebellen aus dem Untergrund heraus kämpften oder Zaubertiere in den Nächten heulten.
Etwa eine halbe Stunde später hörte der Gegenreiter vor sich Hufschlag, dazu das Knurren und Jaulen des Wolfes. Einmal schrie der Falke laut. Torasc packte die Speere fester, er wusste noch nicht, auf welche Weise er versuchen würde, Hester anzugreifen oder, wenn möglich, zu töten.
Schließlich sah er Hester auf dem Einhorn.
Er ritt keine zweihundert Schritt vor ihm. Neben dem Einhorn lief der riesige grauweiß gesprenkelte Wolf. Auf den Mauern tauchten jetzt wieder die Fackeln der Caer-Posten auf und warfen zitternde Lichter auf den harschen Schnee. Torasc setzte die Sporen ein, der Hengst wurde schneller. Lange Fahnen weißen Dampfes fauchten aus den Nüstern des Pferdes. Ein Windstoß trieb einen weiten Schleier Schnee von dem wuchtigen Turm, an dem der Caer soeben vorbeidonnerte.
Er heftete seinen Blick auf Hester, der jetzt nur noch hundert Schritt vor ihm war und mit dem rechten Arm in die Richtung der Caer auf den Zinnen deutete. Sicher wusste auch er, dass Hunderte von Augenpaaren jede seiner Bewegungen beobachteten.
Torasc verfolgte Hester. Der Königssohn wandte sich im Sattel um und blickte seinen Verfolger an. Noch immer war der Caer vollkommen empfindungslos; er spürte weder die Kälte noch den gefahrdrohenden Blick des Jungen, noch die Besonderheit, die in diesem Zusammentreffen lag.
Immer wieder sprang der Wolf zur Seite, wandte sich um und starrte den Caer aus glühenden Augen an.
Der Abstand verringerte sich. Torasc nahm einen anderen Speer in die rechte Hand und beugte sich vor, heftete seinen Blick auf den Rücken des Jungen, der sich vor ihm bewegte.
Er war entschlossen, den Speer zu schleudern. Er war stärker und mächtiger als dieser Junge dort. Er wusste, dass er damit die Herrschaft der Caer auf unerschütterliche Weise festigen und garantieren würde. Er holte weit aus, kam dem Einhornreiter immer näher und zielte auf dessen Rücken, der hinter dem flatternden Mantel verborgen war.
Dann griff der Falke an.
Er ließ sich senkrecht aus dem leichten Nebel fallen, erschien plötzlich dicht hinter dem Kopf Torascs und schlug dem Caer seine Flügel ins Gesicht. Der Schnabel hackte nach den Augen des Reiters. Der Caer wehrte sich sofort und riss den Arm mit dem Speer in die Höhe. Er schwenkte und wirbelte den kurzen Speer instinktiv über sich durch die Luft und schrie, um den Vogel zu verscheuchen. Ein Schnabelhieb traf seinen Kopf und riss eine lange Wunde von der Stirn bis zum Haarwirbel.
Ein brennender Schmerz durchfuhr den Reiter, und augenblicklich lief das Blut in seine Augen. Der Vogel schrie und wich aus, wurde vom Schaft des Speers getroffen und warf
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