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Der Mann auf dem Einhorn

Der Mann auf dem Einhorn

Titel: Der Mann auf dem Einhorn Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Hans Kneifel
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zurückgekommen!« wandte Elivara ein. »Die Gewölbe unter der Taverne sind nicht mehr sicher.«
    Dhorkan nickte beipflichtend, aber er antwortete: »Denke an die Kavernen unter der Stadt, aus denen Mythor mit seinen Freunden aufgetaucht ist.«
    »Wir werden uns dorthin zurückziehen müssen«, sagte Elivara müde. »Ich kann nicht mehr daran glauben, dass wir die Caer vertreiben.«
    »Warte auf den Frühling, Königin!«
    »Er wird nichts ändern. Nur wärmer wird es werden«, sagte sie. »Und die Schiffe aus Caer können schneller segeln.«
    »Was sollten wir sonst tun? Wir gehören hierher!« sagte Dhorkan. »Wenn wir die Stadt verlassen, zerfällt alles. Du bist und bleibst die Königin von Nyrngor.«
    »Eine Königin ohne Thron, die über Ruinen und Hungernde herrscht.«
    »Immer noch besser als auf der Flucht durch die Wildländer oder in der Gefangenschaft Feithearns.«
    »Ein schwacher Trost, Dhorkan!« seufzte sie.
    »Der einzige, Königin«, schloss Dhorkan. Er zog die Decke an sein Kinn und streckte sich aus. Sie schliefen bald ein, aber am Morgen würde nichts besser sein, und auch die Zukunft sah düster und traurig aus.
    *
    Fieberhafte Betriebsamkeit weckte Mythor.
    Er setzte sich auf und blinzelte hinunter in das Zwielicht der großen Höhle. Wildländer liefen durcheinander. Sie trugen Teile von Gerüsten und Seile, schwere Hämmer und Meißel in allerlei Längen, dazu Holzkeile und dampfende Wasserschläuche. Es roch nach Ruß und dem Rauch frischer Feuer. Zwischen den kapuzenverkleideten Helfern humpelte der verwachsene Bildhauer hin und her und rief mit dröhnend tiefer Stimme seine kurzen Befehle.
    Mythor gähnte, betrachtete schweigend den Helm der Gerechten und fragte sich, an welchen Ort ihn die seltsamen Gedankenstöße des Helmes wirklich geführt hatten. Der junge Mann stand auf, wusch sich flüchtig und aß etwas von den Nahrungsmitteln, die ihm während des Schlafes Urzuguhr oder ein Wildländer gebracht haben mochte.
    Dann knurrte er, halb belustigt, halb im Zweifel: »Der neue Gehilfe des Bildhauers tritt zur Arbeit an.«
    Er wusste noch nicht, was er von alledem zu halten hatte. Die Wildländer rannten zum Höhleneingang hinaus und verteilten sich auf den Leitern und Gerüsten. Bald darauf erklang von allen Seiten das Klirren der Meißel und Hämmer und das Poltern der losgeschlagenen Steinsplitter und Brocken.
    Mythor ging langsam hinaus und so weit von der Bergflanke weg, dass er die Gesichter und die Arbeiter genau studieren konnte.
    Die Köpfe, die meist zu etwa zwei Dritteln aus der Wand herausragten, schienen alle in die Richtung des verwunschenen Tales zu blicken. An anderen Stellen, abseits des Höhleneingangs, starrten sie in die entsprechende Himmelsrichtung. Wenn ihn nicht alles täuschte, was er über den Obersten Dämonenpriester Drudin wusste, sahen die Gesichter ihm ähnlich... oder sollten ihn wenigstens darstellen.
    »Jetzt verstehe ich manches!« flüsterte Mythor. Eine abgrundtiefe Enttäuschung überfiel ihn. Seinen Hoffnungen war ein schwerer Schlag versetzt worden.
    Dort oben turnte Urzuguhr über die Gerüste. Er trug stets Hammer und Meißel bei sich. An jeder Stelle, an der gearbeitet wurde, griff er korrigierend ein. Seine Bassstimme hallte von der Felswand wider. Ein ständiger Regen von kleineren und größeren Steinabfällen rieselte, zusammen mit Eisstücken und Schneeresten, über die Felswand herunter. An anderen Stellen, dort, wo die Gesichter noch roh und unfertig hervorragten, schlugen die Wildländer Keile in schmale Felsspalten und übergossen das Holz mit heißem Wasser. Jahre oder Jahrzehnte Arbeit schauten hier aus dem Berg der Gesichter!
    »Nein!« sagte sich Mythor. »Das sind nicht die Gesichter, die den Lichtboten darstellen sollen. Sie stellen den Erzbösen dar, niemanden sonst!«
    Dies war sein Eindruck. Natürlich konnte er nicht sicher sein. Jedenfalls befand sich ein Stützpunkt des Bösen in der Nähe einer Insel, die dem Lichtboten gehört hatte. Während die Kuppelruine schwerlich mit ihrem Einfluss den Berg der Gesichter erreichte, strahlten die Felsgesichter ihre Aura des Bösen, der Schwarzen Magie, auf das Verwunschene Tal aus.
    Gerade als Urzuguhr auf Mythor aufmerksam wurde und das Gerüst herunterkletterte, fiel Mythor noch etwas ein: Wegen des Einflusses der Gesichter auf das Gewölbe mit den drei Kokons konnte es einem Menschen im Mittelpunkt der Spannungen zwischen Gut und Böse gelingen, die Tiere aus ihrem langen Schlaf zu

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