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Der Mann aus dem Safe

Der Mann aus dem Safe

Titel: Der Mann aus dem Safe Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Steve Hamilton
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spähte zum ersten Stock hinauf und sah, dass Amelias Tür zu war. Ich ging hinauf und klopfte an.
    »Wer ist da?«, fragte sie.
    Ich klopfte wieder. Was sollte ich machen?
    »Komm schon rein.«
    Sie saß am Schreibtisch mit dem Rücken zu mir. Sie sagte kein Wort. Ich zögerte, ging schließlich zu ihr und sah, dass sie arbeitete. Ich wollte ihre Schultern berühren, tat es aber nicht.
    Sie zeichnete etwas. Irgendwelche Gebäude, eine Gasse. Viele Schatten. Da war eine lange Gestalt im Vordergrund, aber ich konnte nicht genau erkennen, was sie damit machte. Lange stand ich da und sah ihr zu.
    »Wenn ich nichts sage, ist es ganz schön still hier drin, was?«
    Sie drehte sich endlich um und blickte mir ins Gesicht.
    »Meine Mutter hat sich umgebracht. Wusstest du das?«
    Ich nickte. Mr. Marsh hatte es mir an meinem allerersten Tag erzählt, noch bevor ich Amelia zu Gesicht bekommen hatte.
    »Heute ist ihr Todestag. Es war vor fünf Jahren.«
    Sie hielt den Bleistift in der Hand und wirbelte ihn zwischen den Fingern herum wie einen Miniatur-Tambourstock.
    »Genau vor fünf Jahren, um ein Uhr mittags. Ein paar Minuten früher oder später. Ich war in der Schule, als es passierte.«
    Sie stand auf und ging zu ihrer Kommode, wo sie einen Stapel Papiere und Zeichnungen anhob und eine Mappe darunter hervorzog. Ich hatte nicht vor, ihr das zu gestehen, aber es war dieselbe Mappe, in der ich in der Nacht unseres Einbruchs geblättert hatte. Damals hatte ich ihre Zeichnungen zum ersten Mal gesehen, hatte zum ersten Mal ihr Gesicht gesehen. Mir fiel ein, dass noch andere Zeichnungen darin lagen, von einer erwachsenen Frau.
    »Das war sie«, sagte Amelia und legte die Porträts nacheinander aufs Bett. Ihre Mutter, die auf einem Stuhl saß. Dann draußen auf einer Bank. »Ich war damals zwölf. Sie war in so einer psychiatrischen Klinik, in die man sie für eine Weile eingewiesen hatte. Ich durfte sie dort manchmal besuchen.«
    Jetzt erkannte ich das auf dem Bild. Der gepflegte Rasen, der schnurgerade Gartenweg, der an der Bank entlangführte. Alles ordentlich an seinem Platz. Das waren verdammt gute Zeichnungen für eine Zwölfjährige.
    »Ich war so glücklich, weil ich wusste, dass sie bald nach Hause kommen würde. Drei Monate später …«
    Sie schloss die Augen.
    »Drei Monate später schloss sie die Garage ab und ließ das Auto an. Als ich von der Schule nach Hause kam, war sie tot. Ich habe sie nicht gefunden. Mein Bruder war es. Er kam als Erster nach Hause, und sie war … Sie saß dort im Auto. In der Garage. Das war in unserem alten Haus. Bevor wir hierhergezogen sind. Jedenfalls, es gab keinen Abschiedsbrief. Gar nichts. Sie hat einfach … ausgecheckt.«
    Sie legte die Zeichnungen zurück in die Mappe. Sie sah mich nicht an.
    »Es war nicht das erste Mal, dass sie so was versucht hatte. Wusstest du, dass Frauen doppelt so häufig wie Männer Selbstmordversuche begehen? Meistens sterben sie aber nicht dabei. Männer bringen sich viermal häufiger tatsächlich um.«
    Sie redete jetzt ein bisschen zu schnell, als könnte sie die Stille nicht mehr ertragen.
    »Ich habe das gestern Nacht recherchiert, weil ich verstehen wollte, was mit dir passiert ist. Ich meine, ich kenne die Geschichte, die jeder kennt. Ich weiß, dass man dich den Wunderjungen genannt hat.«
    Ich sah eine einzelne Träne auf ihrem Gesicht.
    »Es sind jetzt fünf Jahre bei mir«, sagte sie. »Bei dir sind es neun oder wie viel? Und in der ganzen Zeit hast du nie versucht …«
    Sie wischte sich die Träne von der Wange und sah mich endlich wieder an.
    »Ich meine, soll das so bleiben? Willst du allen Ernstes nie mit mir sprechen? Niemals?«
    Ich schloss die Augen. Dort, in diesem Moment, in Amelias Zimmer … Ich schloss die Augen und holte tief Luft und sagte mir, dass ich darauf all die Jahre gewartet hatte. Noch nie zuvor hatte ich einen so guten Grund gehabt, es zu versuchen. Ich brauchte mich nur zu öffnen und das Verstummen loszulassen. Genau wie die Ärzte es damals gesagt hatten. Es gab keine physische Ursache, die mich am Sprechen hinderte. Ich musste nur …
    Die Sekunden vergingen. Eine Minute.
    »Da sind ein paar Männer gekommen und haben meinen Vater mitgenommen«, sagte sie schließlich. »Vor etwa einer Stunde. Ich weiß nicht, wohin sie gefahren sind. Ich weiß nicht mal, ob sie ihn zurückbringen werden. Ehrlich … Weißt du, ich dachte, er wäre es, als ich dich in der Auffahrt gehört habe.«
    Ich wollte sie in die Arme

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