Der Mann aus dem Safe
hinauswollte.
»Weißt du, mit siebzehn gab es nur eins, worauf ich wirklich scharf war.«
Oh nein. Bitte nicht das.
»Okay, zwei Sachen, aber ich rede hier nur von der einen. Kannst du’s erraten?«
Ich schüttelte den Kopf.
»Komm mit raus zum Laden. Ich wollte es dir eigentlich gestern schon geben.«
Ich folgte ihm rüber zum Schnapsladen. Er schloss die Hintertür zum Lager auf und verschwand darin. Als er wieder auftauchte, schob er ein Motorrad heraus.
»Das ist eine Yamaha 850 Spezial«, sagte er. »Gebraucht, aber in einem tipptopp Zustand.«
Ich starrte sie an. Der Sitz war schwarz mit kupferfarbenen Applikationen. Die verchromten Auspuffrohre glänzten in der Sonne. Wenn er ein Raumschiff herausgerollt hätte, wäre ich nicht verblüffter gewesen.
»Einer von meinen Stammkunden konnte die Rechnungen nicht mehr bezahlen, die er hatte anschreiben lassen. Er hat mir diese Maschine angeboten, damit wir quitt sind.«
Das muss eine verdammt hohe Rechnung gewesen sein, dachte ich.
»Komm, schwing dich in den Sattel. Warte, ich hab einen Helm für dich.«
Ich hielt den Lenker, während er noch mal reinging. Er kam mit einem Helm und einer schwarzen Lederjacke zurück.
»Die brauchst du auch«, sagte er. »Ich hoffe, sie passt.«
Selbst wenn ich hätte sprechen können – ich wäre sprachlos gewesen. Ich zog die Jacke an. Dann half er mir, den Helm aufzusetzen. Ich schwang mich auf das Motorrad und fühlte, wie es unter meinem Gewicht elastisch nachgab.
»Neue Stoßdämpfer«, erklärte er. »Neue Bremsen. Die Reifen gehen noch, sind nicht mehr die besten. Wir besorgen dir bald ein Paar neue.«
Ich konnte es nicht fassen. Dieses Ding sollte ich wirklich fahren?
»Geh’s erst mal schön langsam an, ja? Na los, probier sie aus.«
Nachdem er mir gezeigt hatte, wie man sie anließ, versuchte ich, in den ersten Gang zu schalten und ein bisschen Gas zu geben. Sie schoss regelrecht unter mir davon. Ich versuchte es noch mal und machte mich auf den Start gefasst. Nach ein paar Runden auf dem Parkplatz fuhr ich hinaus auf die Straße. Zuerst langsam, weil ich nicht auf der Motorhaube eines Autos landen wollte, aber dann hatte ich es bald raus. Es war viel leichter, als ich gedacht hatte, das Gleichgewicht zu halten. Vor allem aber war es ein verdammt tolles Gefühl, das musste ich sagen.
Ich fuhr zurück auf den Hof, doch mein Onkel hatte schon seine Position hinter der Kasse eingenommen und kassierte den ersten Kunden des Tages ab. Er winkte mir zu und rief, ich solle wieder losfahren und mich mit der Maschine vertraut machen. Er gab mir noch ein paar Dollar, um sie aufzutanken, dann war ich weg.
Den ganzen Vormittag fuhr ich herum. Man glaubt nicht, wie diese Babys losgehen. Wenn man an einer Ampel steht und bei Grün richtig aufdreht, meint man, auf einer Rakete zu sitzen. Ich fuhr auf Nebenstraßen in westliche Richtung, hinaus über die Felder, die es damals noch gab. Dabei legte ich mir einen neuen Hass auf frisch geölte Schotterstraßen zu, weil ich mir beinahe den Hals brach, als ich auf die erste bretterte. Danach hielt ich mich an den Asphalt und hatte keine Beinaheunfälle mehr. Es gab nur noch mich, den satten Sound der Maschine zwischen meinen Beinen und den Wind, der an meinem Helm zerrte. Ich wollte dieses Gefühl mit Amelia teilen. Sie bei der Hand nehmen und auf den Sozius setzen. Ich spürte schon, wie sie von hinten ihre Arme um mich legte.
Irgendwo machte ich noch einen kleinen Zwischenstopp und kaufte eine Sonnenbrille. Und einen Helm für Amelia. Jetzt hatte ich alles, was ich im Leben brauchte. Ich stieg wieder auf das Motorrad und fuhr auf direktem Weg zu ihr.
Da sauste ich also auf dieses weiße Schloss in der Sonne zu und fühlte mich, als gehörte mir die Welt. Als könnte das der Tag sein, an dem ich wieder zu sprechen anfing. Warum nicht? Vielleicht war genau das dazu nötig.
Heute jedoch wartete ein bisschen was anderes auf mich.
Ich sah Mr. Marshs Auto in der Einfahrt stehen, aber als ich an die Tür klopfte, machte niemand auf. Ich klopfte noch einmal. Nichts.
Also ging ich ums Haus herum und warf einen Blick unter das Zelt. Die Pflanzen, die Mr. Marsh dorthin geschleppt hatte, fingen schon alle an zu welken, daher suchte ich nach einer Gießkanne und machte ein paarmal die Tour zwischen Zelt und Wasserhahn.
Dann klopfte ich an die Hintertür. Als wieder niemand kam, ging ich einfach hinein. Ich warf einen Blick in Mr. Marshs Büro. Niemand da. Ich
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