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Der Mann aus dem Safe

Der Mann aus dem Safe

Titel: Der Mann aus dem Safe Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Steve Hamilton
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nicht widerstehen, ich musste es noch einmal ausprobieren. Also winkte ich ihnen mitzukommen und führte sie zum Hintereingang. Als wir alle drei draußen standen, schloss ich die Tür ab.
    »Was machst du da? Dieses Schloss kriegst du nicht auf, hast du das vergessen?«
    Ich bückte mich, nahm den Spanner und einen Diamantpick heraus und legte los. Machte mir wieder die Erkenntnis über die gezackten Stifte zunutze – setzte sie alle zu tief und ließ sie dann dieses kleine, winzige Stückchen herunterrutschen, einen nach dem anderen. Mit dem guten Werkzeug war das ein Klacks.
    Zwei Minuten später drückte ich den Griff und stieß die Tür auf.
    »Meine Fresse«, sagte Mr. Marsh. »Wie hast du das denn geschafft?«
    »Ich bin beeindruckt«, sagte Mr. Slade. »Du hast mir zwar davon erzählt, aber es mit eigenen Augen zu sehen … Verdammt noch eins.«
    »Was kannst du noch öffnen?«, wollte Mr. Marsh wissen. »Bekommst du
jedes
Schloss auf?«
    Er drängte sich an mir vorbei in die Küche und wühlte in einer Schublade voller Krimskrams herum, aus der er ein altes Vorhängeschloss fischte.
    »Ich weiß nicht mal mehr die Kombination von dem Ding. Kriegst du das auf?«
    Ich nahm es, ein billiges Vorhängeschloss von einem der Umkleidespinde seiner Kinder vermutlich. Für immer in die Kramschublade verbannt.
    »Das will ich sehen«, sagte Mr. Slade.
    Er kapierte nicht, dass das hier noch einfacher war. Viel einfacher. Aber was soll’s. Ich drehte an den Haftpunkten vorbei und fand die leicht zu spürende letzte Zahl. Setzte alles zurück und begann mit der Reiheneinstellung, machte mir die guten alten Zahlenfamilien zunutze. Ich hatte Glück, denn die erste Zahl war eine Drei. Daher brauchte ich nicht mehr als eine Minute, bis es aufschnappte.
    Den beiden war die Kinnlade heruntergeklappt, als hätte ich gerade levitiert oder so was. Also ehrlich, für mich war das nichts Besonderes.
    »Hab ich’s dir nicht gesagt?«, kam es von Mr. Marsh. »Ist er klasse oder nicht?«
    »Er ist klasse.«
    Ich gestikulierte nach etwas zu schreiben, um die Kombination zu notieren, so dass das Schloss wieder in Dienst gestellt werden konnte. Doch sie hatten offenbar Größeres im Sinn.
    »Was meinst du?«, fragte Mr. Marsh. »Kann er ihn gebrauchen?«
    Ich wusste nicht, wovon sie redeten. Mir gefiel das Ganze nicht, aber Jerry Slade grinste bereits und nickte.
    »Hundertprozentig, Mann. Wie soll er so jemanden nicht gebrauchen können?«
    »Das könnte es sein«, sagte Mr. Marsh. »Das könnte unsere Fahrkarte aus der Hölle sein.«
     
    Erst kurz nach Mitternacht kam ich nach Milford zurück, doch der Schnapsladen war noch offen. Onkel Lito stand hinter der Kasse, das Telefon am Ohr. Er knallte den Hörer auf, als ich den Kopf zur Tür hereinsteckte.
    »Wo zum Teufel hast du die ganze Nacht gesteckt?«
    Ich machte eine Schaufelbewegung.
    »Seit heute Mittag? Du hast, wie lange, zwölf Stunden durchgearbeitet?«
    Ich hob den Daumen und zog mich zurück. Er rief mir etwas hinterher, aber ich ging weiter. Ging ins Haus, ging in mein Zimmer, setzte mich an meinen Schreibtisch. Mir war nicht nach Schlafen zumute. Mir war nicht nach Zeichnen zumute. Ich saß nur da und fragte mich, in was ich mich da reingeritten hatte.
    Ich holte die Ledermappe aus der Gesäßtasche. Machte sie auf und begutachtete die Picks. Wenigstens habe ich die jetzt, dachte ich. Ich werde sie hüten wie kostbare Edelsteine.
    Ich wusste es nicht besser. Ich wusste nicht, dass man, wenn man sich einmal den falschen Leuten als nützlich erwiesen hat, nie wieder frei ist.
     
    Am nächsten Morgen war mein Onkel immer noch sauer auf mich, weil ich ihn den ganzen Abend hatte hängenlassen. Wie er da am Küchentisch saß und seine Cornflakes aß. »Dieser Kerl, für den du arbeitest«, sagte er, »der hat doch eine totale Macke. Er hätte dich umbringen und in seinem Garten verscharren können nach allem, was ich weiß.«
    Ich ballte eine Faust und rieb sie kreisend über mein Herz. Er war nie gut mit der Gebärdensprache zurechtgekommen, aber das kannte er.
Es tut mir leid.
    »Du wirst langsam erwachsen, das ist mir klar. Du bist jetzt in dem Alter, wo man glaubt, alles zu wissen.«
    Ich nickte ihm zu und fragte mich, von wem er redete. Bestimmt nicht von mir.
    »Ich war auch mal siebzehn. Kannst du dir schwer vorstellen, ich weiß. Aber ich hatte es natürlich auch nicht halb so schwer wie du.«
    Jetzt war ich wirklich gespannt, worauf er

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