Der Mann aus dem Safe
etwas, das dich interessieren könnte.«
Er stieß noch eine Tür auf. Ich folgte ihm durch einen kurzen Gang und zwängte mich an mehreren Fahrrädern vorbei, bis wir zu einer weiteren Tür kamen.
Als er die aufmachte, standen wir im Freien. Oder fast. Ein behelfsmäßiges Vordach hing über uns, lange Streifen aus grüner Plastikplane mit Lücken hier und da, durch die die Sonne hereinschien. Es zog sich ganz bis zu dem Zaun, der das Grundstück nach hinten begrenzte und mit Sumach und Gift-Efeu überwuchert war.
»So, da sind wir.« Er schob sich durch eine Sammlung von alten Rasenmähern hindurch und streifte einen verrosteten Gartengrill. Dann hob er eine schmiedeeiserne Pforte an, die aussah, als stammte sie von einem Spukhaus, und stellte sie weg. Er war erstaunlich stark für einen blassen alten Mann, den man für einen pensionierten Englischlehrer halten konnte.
Er trat beiseite und winkte mich in eine kleine Lichtung inmitten all des Chaos. Dort, zu einem Kreis angeordnet, standen acht verschieden hohe Tresore, deren Nummernscheiben alle zur Mitte zeigten. Ein Stonehenge aus Safes.
»Nicht schlecht, was?« Er ging im Kreis herum und berührte die Safes nacheinander. »Alle großen Marken. American, Diebold, Chicago, Mosler, Schwab, Victor. Der hier ist vierzig Jahre alt. Der dort drüben ist neu, kaum benutzt. Was sagst du?«
Ich drehte mich langsam einmal um mich selbst und sah sie mir an.
»Such dir einen aus.«
Wie bitte, er wollte, dass ich mir einen Tresor aussuchte? Sollte ich den mit nach Hause nehmen? Mir auf den Rücken schnallen und damit Motorrad fahren?
Er setzte seine Lesebrille auf, legte den Kopf schräg und beäugte mich über den Rand hinweg. »Na los, wollen mal sehen, was du kannst.«
Was ich kann, sagt er. Er will sehen, was ich kann. Dieser Mann forderte mich doch tatsächlich auf, einen dieser Safes zu knacken.
»Heute noch wäre gut.« Er stand dort in dem grünlichen Schatten, nahm die Brille wieder ab und ließ sie vom Hals baumeln. Ich rührte mich nicht.
»Wirst du jetzt einen dieser Geldschränke öffnen«, sagte er langsam und deutlich, wie zu einem Schwachsinnigen, »oder nicht?«
Ich ging zu dem nächstbesten, einem von den hohen Kerlen. So groß wie ein Getränkeautomat. Die Wählscheibe für die Kombination war ein fein konstruierter Apparat aus poliertem Metall, wie man ihm in dem Tresorraum einer Bank begegnen würde. Ich packte den Griff neben der Nummernscheibe und zog versuchsweise daran. Noch mehr fein konstruiertes Metall sagte »Leck mich« und gab keinen Millimeter nach.
»Okay, jetzt blödelst du ein bisschen herum, ja? Machst den Spaßvogel?«
Ich sah ihn an. Was um alles in der Welt sollte ich denn hier zuwege bringen? Wie sollte ich ihm klarmachen, dass das alles ein großer Irrtum war? Dass ich nur wegen zweier Volltrottel hierhergeschickt worden war und leider seine Zeit verschwendete?
Nachdem wir noch ein Weilchen wie die Ölgötzen dort herumgestanden hatten, begriff er zumindest das Wesentliche. »Du kannst keinen von denen öffnen, was?«
Ich schüttelte den Kopf.
»Was hast du dann hier verloren?«
Hände nach oben. Wenn ich das wüsste.
»Ich fasse es nicht. Du willst mich wohl verarschen. Da wollen sie mir so einen Jungen herschicken. Ein Naturtalent, sagen sie. Ein absolutes Naturtalent. Er ist ein Goldjunge.«
Er machte kehrt, entfernte sich ein paar Schritte von mir, kam dann zurück.
»Du bist mir vielleicht ein Goldjunge. Du kleines Arsch…«
Er unterbrach sich und arbeitete offensichtlich hart daran, sich zu beherrschen.
»Okay. Ganz ruhig bis zehn zählen. Der Goldjunge ist eben nicht so golden. Ist ja keine Katastrophe.«
Er legte seine Finger an die Schläfen und massierte sie in kleinen Kreisen. Dann atmete er ein paarmal tief durch und sah mich an.
»Du bist ja immer noch da. Wieso das denn? Willst du ernsthaft, dass ich ein Aneurysma bekomme?«
Ich ging auf die Tür zu, unsicher, ob ich überhaupt allein aus dem Labyrinth herausfinden würde.
»Na also! Jetzt hat’s klick gemacht. Du kannst zwar keinen Safe knacken, aber du weißt, wann es Zeit ist, sich zu verabschieden. Das muss man dir lassen.«
Er schubste mich beiseite und ging durch die Rasenmäher und Gartengrills voran. Als er die Hintertür öffnete, wurden wir wieder in Finsternis getaucht, und ich stürzte mich beim Spießrutenlaufen durch die Fahrräder im Gang fast zu Tode.
»Auch noch so anmutig! Was für ein Gewinn. Ich schätze mich glücklich,
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