Der Mann aus dem Safe
ein und fuhr los. Ein paar Minuten später waren wir auf der I- 95 und fuhren in östliche Richtung, auf Connecticut zu. Ich klopfte gegen seine Rückenlehne und hob fragend die Hände. Was soll das, Leute?
»Okay, die Sache ist die«, sagte er. »Die Steine, die wir gestohlen haben, sind total unecht. Es sind noch nicht mal gute Cubic Zirkonia. Bloß Schrott. Meine Experten hier haben das in drei Sekunden herausgefunden, als sie erst mal wieder nüchtern waren.«
Keiner der beiden sagte etwas. Der rechts von mir schüttelte nur bedächtig den Kopf.
»Das passt doch nicht zusammen«, sagte der Ochse. »Dieser Kerl lebt davon, echte Diamanten zu kaufen und zu verkaufen. Warum sollte er einen Haufen falsche Steine in seinen Safe legen?«
»Also haben wir uns gefragt –«, sagte Großmaul.
»Also habe
ich
mich gefragt«, fiel der Ochse ihm ins Wort, »und es diesen Hohlköpfen heute Morgen verklickert, ob es noch einen zweiten Safe in dem Haus gibt. Einen, der viel schwerer zu finden ist, mit den echten Diamanten drin. Verstehst du, worauf ich hinauswill?«
Darüber musste ich erst mal ein paar Sekunden lang nachdenken. Dann leuchtete es mir ein. Der Ochse hatte recht. Der Safe war an einer allzu offensichtlichen Stelle gewesen. Dort, wo man als Erstes suchen würde, viel zu leicht zu finden. Obendrein war er offen gewesen, was diese Clowns natürlich nicht wussten. Einfach den Griff drehen und bitte sehr – ein hübscher kleiner schwarzer Samtbeutel mit lauter …
Verdammt, warum hatte ich das nicht gleich durchschaut? Das war der vollkommene Diebstahlschutz. So vollkommen, dass die übrige Schlamperei beinahe verzeihlich war. Greift nur zu, Jungs! Eine Million Dollar in Diamanten! Alles für euch! Stoßt euch nicht die Köpfe beim Hinausgehen.
»Also haben wir uns gedacht«, sagte Großmaul, »wenn du nichts dagegen hast, noch mal eine kleine Spritztour zu machen …«
»Unser Mann kann noch nicht wieder zu Hause sein«, warf der Ochse ein. »Ich meine, er ist über die Feiertage verreist, ja? Wer kommt schon an Neujahr zurück?«
Ich hörte die Stimme des Ghost in meinem Kopf. Mach, dass du wegkommst, Heißsporn. Dreh dich einfach um und geh.
Nicht, dass das im Moment möglich gewesen wäre, wo wir gerade über die Schnellstraße rasten.
Man kann doch nicht zweimal dasselbe Haus ausrauben, oder? Heißt das nicht, das Unglück herausfordern?
Andererseits, vielleicht zählt das erste Mal ja nicht. Wir haben es eigentlich gar nicht ausgeraubt, stimmt’s?
Solche schwachsinnigen Überlegungen gingen mir im Kopf herum, auf dem ganzen Weg zu diesem Haus in Connecticut. Manches muss man eben auf die harte Tour lernen.
Wir parkten wieder auf der Rückseite des Anwesens, auf demselben Spielplatz. Das Haus sah immer noch genauso verlassen aus. Damit lag der Ochse wohl richtig – wenn der Besitzer gestern verreist gewesen war, würde er es heute bestimmt auch noch sein.
Diesmal blieb niemand beim Auto zurück. »Wir müssen diesen zweiten Safe finden«, sagte Großmaul. »Wir brauchen alle verfügbaren Augen.«
Wieder ein Fehler, natürlich. Das war nicht der Zeitpunkt, um nachlässig zu werden. Doch ich wollte mich nicht streiten deswegen, also huschten wir alle fünf an der Baumreihe entlang zum Haus. Das Fenster war nach wie vor unverschlossen. Der Ochse schob es auf, und Großmaul stieg ein. Ich als Nächster. Wobei ich davon ausging, dass wenigstens einer draußen bleiben und Wache halten würde. Ich meine, so blöd kann man doch nicht sein, oder? Inzwischen hätte ich es wohl besser wissen sollen, aber ich wollte so schnell wie möglich diesen zweiten Safe finden, damit es sich nun endlich lohnte, und dann nix wie weg hier.
Mir war klar, dass wir ihn nicht im Arbeitszimmer finden würden. Ich ging zur vorderen Seite des Hauses und dort die Treppe hinauf. Es war eines dieser Häuser mit einer Prunktreppe und einem Drei-Meter-Kronleuchter in der Eingangshalle, aber ich hatte keine Zeit, das alles zu bewundern. Oben ging ich geradewegs durch den langen Flur und spähte in jedes Zimmer hinein. Schlafzimmer, Schlafzimmer, Schlafzimmer, Badezimmer. Alles Museumsqualität und in einem Zustand, als hätte nie jemand darin gewohnt. Endlich kam ich zu einer Suite, die nach dem Hausherrn aussah. Ich betrat sofort den begehbaren Kleiderschrank, schob die Kleider beiseite und musterte jede Wand eingehend. Ich fand nichts.
Als ich wieder herauskam, sah ich, wie Großmaul jedes Bild an der Wand anhob und
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