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Der Mann aus dem Safe

Der Mann aus dem Safe

Titel: Der Mann aus dem Safe Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Steve Hamilton
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man sie mit einem einzigen Streichholz abfackeln.
    Als wir uns gerade dem Meer näherten, bogen sie in eine ruhige Seitenstraße ab. Noch ein paar Abzweigungen, dann hielten sie vor einem bescheidenen kleinen Haus in der Grant Street. Es nahm fast das ganze Grundstück ein. Der winzige Vorgarten war vollständig mit Kies bestreut, und rundherum zog sich ein Zaun. Julian nahm den Helm ab und öffnete das Tor für uns.
    »Wie war die Fahrt?«, fragte er.
    Ich nickte ihm zu und gab ihm meinen Helm. Als wir im Haus waren, wurde mir klar, dass die Außenfassade täuschte. Es gab eine Küche mit allen Schikanen, ein großes Weingestell, bis oben mit Flaschen gefüllt, und jede Menge ultramoderne Spotlights an der Decke. Wenn diese Leute wirklich berufsmäßige Einbrecher waren, verdienten sie nicht schlecht dabei.
    »Was kann ich dir zu trinken anbieten?«, fragte Julian. »Wein? Einen Cocktail?«
    Das lehnte ich ab, nahm aber schließlich ein kaltes Bier. Schon der erste Schluck versetzte mich wieder zu dieser Sommernacht in Michigan zurück. Der Nacht, in der ich zum ersten Mal verhaftet worden war. Während ich dort saß und mein Bier trank, musterte Julian mich unverwandt.
    »Du bist ein echtes Kunstwerk«, meinte er schließlich. »Ehrlich, sieh dich nur an. Du bist vollkommen.«
    Okay … äh, danke.
    »Und du bist so … still. Wie ein lebender Buddha oder so was. Ich halt das nicht aus.«
    Ich trank noch einen langen Zug.
    »Ramona«, sagte er. »Komm mal her. Schau mal in Michaels Augen. Was siehst du?«
    Sie kam herüber, beugte sich vor und hob mein Kinn mit dem Finger an, genau wie Lucy vorhin im Motel. Sie sah mir in die Augen und schüttelte den Kopf.
    »La fatiga«,
sagte sie.
    »Als hätte er schon viel zu viel erlebt«, bemerkte Julian. »Obwohl er erst, wie alt ist, siebzehn? Achtzehn?«
    »Wie alt bist du?«, fragte sie mich.
    Ich hielt zehn Finger hoch, dann sieben.
    »Wie bist du dazu gekommen?«
    Ich sah sie nur an.
    »Okay, wir zuerst«, meinte sie. »Julian, erzähl ihm deine Lebensgeschichte.«
    »Einfach so«, sagte er lächelnd.
    »Ja. Ich schätze, das ist mal einer, der ein Geheimnis für sich behalten kann.«
    Also legte er los und gab mir eine Kurzfassung. Er war ein Kind reicher Eltern, war auf Privatschulen gegangen, hatte als einer der Besten seinen Abschluss gemacht und war schon auf dem Weg zur Pepperdine oder Gonzaga gewesen, beides religiös orientierte Privat-Unis. Er hatte sich noch nicht endgültig entschieden. Dann wurde er zum zweiten Mal beim Fahren unter Drogen- und Alkoholeinfluss erwischt und verbrachte einen Monat in einem Rehabilitationsprogramm für Jugendliche. Wo er Ramona, Gunnar und Lucy traf, die alle aus ärmlichen Verhältnissen stammten, zerrüttete Familien, missbrauchende Eltern. Er und Ramona waren seitdem ein Paar. Sie hatten dafür gesorgt, keine weiteren Vorstrafen zu kassieren, während Gunnar und Lucy sich immer wieder Ärger einhandelten. Dann schafften es die beiden endlich, clean zu werden, und nahmen wieder Kontakt zu Julian auf. Nun lebten sie alle vier zusammen in diesem Haus.
    Er erzählte mir nicht, wie es dazu gekommen war, dass sie ein Team wurden und Einbrüche der Extraklasse unternahmen. Oder wie sie den Mann in Detroit kennengelernt hatten. Oder den Ghost. Diesen Teil der Geschichte erfuhr ich erst später.
    »Wir sollten demnächst mal ein bisschen übers Geschäft reden, was? Aber eins nach dem anderen.«
    Er führte mich zu einem Bücherregal an der hinteren Hauswand.
    »Okay«, sagte er, »das hier war schon da, als ich das Haus gekauft habe, ich schwör’s.«
    Er drückte gegen ein Regalbord, worauf das ganze Ding sich bewegte wie eine Drehtür. Dahinter befand sich ein weiteres Zimmer. Als ich hineinging, sah ich Karten und Fotos an den Wänden. Aktenschränke. Einen Computer mit Drucker. Und in der Ecke – solider Stahl, geradezu herzerwärmend – einen Tresor, etwa eins zwanzig hoch.
    »Willkommen in der Bat-Höhle«, sagte Julian.
    »Du bist ziemlich unvorsichtig«, bemerkte Gunnar. »Wir sind ihm doch gerade erst begegnet.«
    »Ramona sagt, er kann ein Geheimnis bewahren. Also vertraue ich ihm. Außerdem willst du doch selbst, dass er uns vorführt, wie er einen Safe öffnet, oder?«
    »Dann zerr ihn raus, und er soll ihn im Wohnzimmer aufmachen.«
    »Das möchte ich sehen, wie
du
den rauszerrst.«
    »Jungs«, sagte Ramona, »benehmt euch.«
    Sie brauchten mir nicht zu sagen, was ich zu tun hatte. Ich kniete bereits vor dem

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