Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Der Mann aus dem Safe

Der Mann aus dem Safe

Titel: Der Mann aus dem Safe Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Steve Hamilton
Vom Netzwerk:
trocknete ich mich ab und setzte mich mit dem Handtuch um die Hüften aufs Bett. Ich zählte mein übriges Geld. Machte den Fernseher an. Dann nahm ich ein paar Papierbögen heraus und begann zu zeichnen.
    Ich holte die letzten Szenen meiner fortlaufenden Geschichte nach. Die zweite Fahrt nach Connecticut. Wie alles gründlich schiefgegangen und ich als Einziger lebend aus der Sache herausgekommen war.
    Falls Amelia diese Seiten je liest, dachte ich, was wird sie bloß davon halten?
     
    Ich wartete zwei Tage lang. Sah fern, zeichnete, drehte an meinem Schloss. Ging die Straße hinunter, um etwas zu essen zu kaufen, trug es zurück aufs Zimmer. Am dritten Morgen klopfte es an meiner Tür.
    Ich war ziemlich neugierig darauf, wie diese Typen aussehen würden, diese kleine Bande professioneller Einbrecher, angeblich die besten von allen.
    Zeit, es herauszufinden.
    Das erste Gesicht, das ich beim Aufmachen sah, war das einer Frau. Ein äußerst attraktives Gesicht noch dazu. Jung, volle Lippen und große dunkle Augen, eine Latina. Sie lächelte, als hätte gerade jemand etwas Lustiges gesagt. Sobald ihr Blick auf mich fiel, erstarb das Lächeln.
    Dann ein weiteres Gesicht. Ein Mann, genauso jung wie die Frau. Vielleicht sogar jünger, aber immer noch ein paar Jahre älter als ich. Bartstoppeln am Kinn. Sonnenbrille. Lockige Haare, ähnlich wie meine, jedenfalls als ich noch Haare hatte.
    »Bist du der junge Ghost?«, fragte er.
    »Das ist doch ein Kind«, sagte die Frau. »Der ist praktisch noch in den Windeln.«
    Sie schoben sich an mir vorbei ins Zimmer. Beide trugen sie schwarze Lederjacken. Ich wollte gerade die Tür zumachen, aber das Empfangskomitee war noch nicht komplett. Noch ein Mann kam herein, ebenfalls in schwarzem Leder. Spindeldürr. Er war genauso jung, aber nach den Narben in seinem Gesicht zu schließen, hatte er schon ein paar härtere Strecken hinter sich. Ein Spinnennetz-Tattoo zog sich über eine Seite seines Halses.
    Dann die Vierte im Bunde. Eine zweite junge Frau in noch mehr schwarzem Leder und mit noch mehr harten Strecken hinter sich, falls das überhaupt möglich war. Sie sah müde und erschöpft aus, ihr eines Augenlid hing herunter. Ein abgebrochener Schneidezahn. Trotzdem war sie nicht hässlich. Ich meine, sie hatte irgendwie was. So eine ungezähmte animalische Schönheit, die nichts zerstören konnte, egal, was sie sich antat.
    Sie waren vier auf sehr spezielle Art attraktive Menschen, und keiner wirkte älter als ein College-Student. Das konnte doch niemals die White Crew sein, von der der Ghost so geschwärmt hatte, oder?
    »Hast du nicht gesagt, es wäre hübsch hier?«, sagte der erste Mann zum zweiten. Er blickte aus dem Fenster auf die müden Palmen.
    »Hübsch genug«, sagte der Zweite. Er umkreiste mich dicht und musterte mich von oben bis unten.
    »Ich heiße Julian«, sagte der Erste. Offensichtlich stellte er den Anführer dieser Gruppe dar, wer zum Geier sie auch waren. »Das ist Gunnar.«
    »Sehr erfreut.« Der andere streifte seine Jacke ab und brachte ein schwarzes T-Shirt mit abgeschnittenen Ärmeln zum Vorschein. Er hatte kein bisschen Körperfett an sich, so dass man jeden Muskel, jede Sehne sah.
    »Das ist Ramona«, stellte Julian die Latina vor. Sie nickte knapp und ließ sich auf dem Bett nieder.
    »Und Lucy.«
    Die Frau trat auf mich zu, ein paar Zentimeter zu nahe. Ich roch Zigaretten und Straße und irgendein Parfüm, bei dem sich eine ferne Erinnerung regte. Sie starrte mich mit ihren ungleichen Augen an und legte mir einen Finger unters Kinn. Dann ließ sie von mir ab.
    »Also, junger Ghost«, sagte Julian, »wie heißt du?«
    Ich holte meinen Führerschein aus dem Portemonnaie und gab ihn Julian.
    »William Michael Smith?« Er hielt den Ausweis ins Licht. »Du machst Witze, oder? Eine schlechtere Fälschung habe ich noch nie gesehen.«
    Da hatte ich geglaubt, perfekt gefälschte Papiere zu haben, aber was wusste ich schon? Ich nahm ihm den Führerschein aus der Hand und zeigte auf den zweiten Vornamen.
    »Michael. Das ist dein richtiger Name?«
    Ich nickte. Zum ersten Mal hatte mich wieder jemand Michael genannt, seit ich aus Michigan weg war.
    »Es stimmt also«, sagte Julian. »Du sprichst wirklich nicht.«
    Ich nickte wieder.
    »Scheiße, ist das cool. Das nenn ich meta. Einfach transzendent.«
    Wie du meinst, dachte ich und fand, dass es an der Zeit war, die Verhältnisse zu klären. Denn ich konnte immer noch nicht ganz glauben, was hier abging. Ich

Weitere Kostenlose Bücher