Der Mann aus dem Safe
ich allein in diesem Zimmer über dem Restaurant herumsaß. Das war’s. Das war alles.
Ach so, und natürlich die Pager. Ich packte den weißen Pager, den roten, den blauen und den grünen ein. Ich war versucht, den gelben einfach dort auf der Fensterbank liegen zu lassen. Sollte er doch piepen, soviel er wollte, bis die Batterie leer war. Wer weiß, vielleicht würde ihn auch ein neues Mitglied der chinesischen Familie finden, die Nummer im Display anrufen und Mandarin oder gebrochenes Englisch reden. Dann würde der blutige Anfänger am anderen Ende vielleicht seinen geplanten Bruch abblasen und darum herumkommen, dass ihm der Kopf weggeschossen wurde.
Aber nein. Letztendlich nahm ich den gelben Pager auch mit. Ich schnappte mir meine Siebensachen und fuhr mit einem Taxi nach Downtown zur Port Authority. Ich bezahlte meine Fahrkarte in bar, wartete auf den Bus, holte mir was zu essen. Ich stieg in den Bus, und als er losfuhr, sagte ich New York City auf Wiedersehen. Man sollte meinen, dass ich froh war, der Stadt den Rücken zu kehren, dass ich schwor, nie wieder einen Fuß in sie zu setzen. Doch tatsächlich empfand ich einen Stich des Bedauerns. So elend alles gewesen war, ich hatte überlebt. Das hatte ich mir immerhin bewiesen. Dass ich mich alleine durchschlagen konnte.
Der Bus fuhr die ganze Nacht durch. Hin und wieder schlief ich ein. Am Morgen sah ich Maisfelder und Trucks und Reklametafeln. Am Abend sah ich Kühe und roten Staub. Die Meilen flogen dahin.
Am Ende des zweiten Tages war ich in Los Angeles.
Es war eine verdammt lange Fahrt, aber schließlich ging es hier um den weißen Pager. Das waren die Leute, die der Ghost als das große Geld bezeichnete. Echte Profis. Die Besten der Besten. Es war ein Glücksfall, sagte ich mir, dass diese Jungs mich als Nächste angepiept hatten, nach dem Desaster mit dem gelben Pager. Meinetwegen konnte jetzt zur Abwechslung gern mal was glattgehen.
Der Typ am Telefon, der mir die Adresse in L.A. gegeben hatte, hatte von einem hübschen, sauberen Motel oben in der Gegend von Glendale gesprochen. Er sagte, der Mann an der Rezeption werde mich erwarten. Ich solle den Namen Stone angeben, dann werde er mich zu einem Zimmer nach hinten raus bringen. Er selbst und seine Partner würden mich im Motel aufsuchen und an die Tür klopfen. Anschließend würden mir die Einzelheiten der Operation mitgeteilt werden.
Es lief alles genauso ab, wie er gesagt hatte. Ich stieg aus dem Bus, schrieb die Adresse auf einen Zettel, gab sie dem Taxifahrer. Er fuhr hinaus auf den Expressway, der schon vom Mittagsverkehr verstopft war. Wir zuckelten fast eine Stunde lang dahin, bis wir das Motel erreichten. Ich bezahlte und stieg aus. Es war ein trockener, sonniger Tag in Los Angeles. Milde einundzwanzig Grad, alles sah braun und verwelkt aus. Ein leichtes Beißen von Smog in der Luft.
Das Motel war zweistöckig und wirkte nicht allzu billig, wenn es auch nicht gerade das Ritz war. Der Pool schien sauber zu sein, aber niemand schwamm. Der Parkplatz war halbvoll. Ich ging hinein und schrieb ein einziges Wort auf ein Stück Papier,
Stone.
Das schob ich dem Mann hinter dem Tresen hin, was ihn sofort vom Stuhl aufspringen ließ.
Er bestand darauf, mich persönlich um den Parkplatz herum zu meinem Zimmer zu führen. Es lag im ersten Stock. Er schloss die Tür auf und zeigte mir, wo das Telefon war, die Handtücher im Bad, alles Mögliche, das ich leicht auch allein gefunden hätte. Er gab mir den Schlüssel und sagte, ich solle ihn jederzeit anrufen, wenn ich etwas brauche. Ich weiß nicht, ob ihm überhaupt aufgefallen war, dass ich die ganze Zeit kein Wort gesagt hatte.
Als er weg war, setzte ich mich eine Weile aufs Bett und fragte mich, wie ich hierhergekommen war. Ans andere Ende des Landes, ohne irgendetwas zu tun zu haben, als darauf zu warten, dass ein Fremder an die Tür klopfte.
Immerhin war das hier schon eine ziemliche Verbesserung gegenüber dem Zimmer über dem Restaurant in der 128 th Street. Es gab einen Fernseher, einen Radiowecker, saubere Handtücher. Wahnsinn, eine Badewanne! Ich konnte mich nicht erinnern, wann ich zuletzt ein heißes Bad genommen hatte. Selbst bei Onkel Lito hatte ich nur eine Duschkabine gehabt.
Ich ging ins Bad und ließ heißes Wasser ein. Ich sah aus dem Fenster auf den Parkplatz und die zerzausten Palmen. Als die Wanne voll war, zog ich mich aus und stieg hinein. Es war ein herrliches Gefühl nach all den Meilen im Bus.
Nach dem Bad
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