Der Mann aus dem Safe
muss seine Rechte selbst lesen und dann eine Erklärung unterschreiben, dass er sie verstanden hat. Glaub ich.«
»Dann gib ihm deine Karte mit den Rechten. Soll er sie lesen.«
»Ich hab sie nicht dabei. Gib ihm deine.«
»Was? Ich hab keine. Wie kannst du deine nicht dabeihaben, du hast ihm seine Rechte doch gerade vorgelesen?«
»Ich hab sie nicht vorgelesen, ich kann sie auswendig.«
»Ach du Scheiße, und was machen wir
jetzt?
«
»Wir bringen ihn auf die Wache. Dort werden sie schon wissen, was mit ihm zu tun ist.«
Zuerst wollte ich ihnen noch klarmachen, dass ich nicht taub war, aber dann dachte ich, was soll’s. Vielleicht hören sie dann auf, mich vollzulabern. Inzwischen waren zwei weitere Streifenwagen eingetroffen, und die ganze Party von gegenüber hatte sich neugierig um uns versammelt.
Sie brachten mich auf die Wache von Milford in der Atlantic Street, gleich um die Ecke vom Schnapsladen, nebenbei. Mittlerweile war es nach Mitternacht. Dort steckte man mich eine gefühlte Stunde lang in einen Vernehmungsraum, bis schließlich die beiden Cops, die mich verhaftet hatten, mit zwei anderen Männern hereinkamen. Der eine war ein Detective, der ziemlich verdutzt dreinblickte, als er mich sah. Der andere ein Gebärdensprache-Dolmetscher, den man anscheinend gerade aus dem Bett geholt hatte. Einer der Streifenbeamten begann zu reden, während der Dolmetscher seinen Job machte und mir gebärdete, dass ich in der Polizeistation von Milford sei, worauf ich auch schon von selbst gekommen war, und dass man vor allem Weiteren zuerst sicherstellen müsse, dass ich meine Rechte verstanden hatte.
Als ich dran war, kramte ich gerade genug Gebärdensprache hervor, um die eine entscheidende Mitteilung rüberzubringen, die sie endlich mal kapieren mussten. Zeigte auf mich selbst, breitete die Hände mit Nachdruck aus, wie ein Schiedsrichter, der zwei Kontrahenten trennt, führte einen Finger ans rechte Ohr und legte dann beide Hände mit den Handflächen nach außen aneinander.
»Ich bin nicht taub«, übersetzte der Dolmetscher automatisch, bevor ihm bewusst wurde, was ich da sagte.
»Du bist doch Mike«, sagte der Detective. »Litos Neffe, richtig? Drüben vom Spirituosenladen?«
Ich nickte.
»Er hört ganz normal, ihr Deppen«, sagte er zu den Cops. »Er kann nur nicht sprechen.«
Das führte zu einiger Verlegenheit und der Entlassung des jetzt stinksauren Dolmetschers. Der Detective las mir meine Rechte vor und ließ mich unterschreiben, dass ich sie verstanden hatte, während die beiden Bullen mich anstarrten, als hätte ich sie absichtlich hinters Licht geführt, um sie dumm dastehen zu lassen. Dann gab mir der Detective einen leeren gelben Notizblock und fragte mich, ob ich etwas sagen wolle. Ich schrieb ein großes NEIN und schob ihm den Block hin.
Sie nahmen meine Fingerabdrücke und ließen mich ins Röhrchen pusten, aber ich war mir ziemlich sicher, zu diesem Zeitpunkt schon wieder stocknüchtern zu sein. Dann musste ich ein kleines Schild mit meinem Namen und der Fallnummer hochhalten, während sie zwei Fotos von mir machten, eines in Vorderansicht, eines im Profil. Zum Schluss brachten sie mich allein in eine Verwahrzelle und riefen Onkel Lito an.
Ich saß noch mal eine Stunde oder so in der Zelle, dann hörte ich Schritte vom anderen Ende des Gangs her. Dort war eine Tür mit einem kleinen Beobachtungsfenster darin. Ich sah Onkel Litos Gesicht hinter der Scheibe auftauchen, mit großen Augen und wirr abstehenden Haaren wie eine Comicfigur. Eine weitere halbe Stunde verging. Schließlich kam ein Cop zu meiner Zelle und brachte mich in einen anderen Vernehmungsraum. Dort wartete eine Frau auf mich. Es musste inzwischen mindestens zwei Uhr morgens sein, doch sie war hellwach und tipptopp angezogen.
»Dein Onkel hat mich als Rechtsbeistand für dich engagiert«, sagte sie, als ich mich ihr gegenübersetzte. »Wir müssen ein paar Dinge besprechen, ehe man dich entlässt. Zunächst einmal, hast du alles verstanden, was bisher mit dir passiert ist?«
Sie hatte einen Notizblock für mich bereitliegen. Ich nahm den Stift und schrieb
Ja.
»Wie ich höre, hast du bis jetzt keinerlei schriftliche Aussage bei der Polizei gemacht. Stimmt das?«
Ja.
Sie holte tief Luft. »Sie wollen wissen, wer noch daran beteiligt war«, sagte sie schließlich. »Bist du bereit, es ihnen zu sagen?«
Ich zögerte und schrieb dann:
Was passiert, wenn ich nichts sage?
»Michael, eines muss dir klar sein. Ich kann dir
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