Der Mann aus dem Safe
nicht helfen, wenn du mir nicht genau erzählst, was passiert ist. Ich muss wissen, wer bei dir war.«
Ich wandte den Blick ab.
»Wirst du es mir sagen?«
Ich will nach Hause und schlafen, dachte ich. Mir morgen über all das Gedanken machen.
»Soweit ich weiß, hat auf der anderen Straßenseite von dem Haus, in das ihr eingebrochen seid, eine Party stattgefunden. Die Polizei wird sicher mit allen Teilnehmern dort sprechen, und irgendjemand hat garantiert gesehen, wie deine … Freunde weggelaufen sind.«
Ein Freund, dachte ich. Ein Freund und zwei andere Leute, die mir am Arsch vorbeigehen. Doch ich sah keine Möglichkeit, die beiden zu verraten, ohne dass Griffin auch mit hineingezogen wurde. Selbst wenn er inzwischen schon in Wisconsin war, würden sie ihn sicher dort finden und zurückbringen.
»Dein Auto«, sagte sie. »Es steht an der Straße ein Stück unterhalb vom Haus der Marshs?«
Ich nickte.
»Kennst du die Familie überhaupt? Es muss schließlich einen Grund dafür geben, dass du den ganzen Weg dort rausgefahren bist,
du ganz allein,
falls du wirklich erwartest, dass dir das jemand glaubt, und in ihr Haus eingebrochen bist.«
Ich schloss die Augen.
»Also gut«, sagte sie. »Wir sprechen morgen weiter darüber. Ich sorge jetzt dafür, dass man dich auf freien Fuß setzt, damit du nach Hause gehen und dich ein bisschen ausruhen kannst.«
Noch eine halbe Stunde Warten, dann ließ man mich aus der Verwahrzelle. Die Anwältin fuhr uns nach Hause. Onkel Lito saß vorn und sagte kein Wort. Als wir ankamen, bedankte er sich bei der Anwältin und stieg aus. Ich trottete hinter ihm her und wartete die ganze Zeit auf das große Donnerwetter. Was zum Teufel ist in dich gefahren, was hast du dir bloß dabei gedacht, so was in dem Stil. Vielleicht sogar eine körperliche Konfrontation, zum allerersten Mal. Doch er schloss nur die Haustür auf und ließ mich rein.
»Geh ins Bett«, sagte er. »Wir kümmern uns morgen um alles Weitere.«
Ich ging nach hinten in meine Kammer und zog mich aus. Als ich mich hinlegte und das Licht ausmachte, sah ich seine Silhouette an der Tür.
»Hast du eine Ahnung, was diese Anwältin kosten wird?«
Ich starrte an die dunkle Decke.
»Mir war nicht klar, dass es so schlimm ist, Michael. Ich meine, ich weiß, was du durchgemacht hast …«
Nein, weißt du nicht.
»Ich dachte, du wärst jetzt langsam darüber hinweg. Ich dachte, es wär alles okay mit dir.«
Er machte die Tür zu und ging. Kurz vorm Einschlafen sah ich noch einmal das zerberstende Aquarium vor mir. Das herausstürzende Wasser. Die Fische auf dem Boden, ihre vor Überraschung aufgerissenen Mäuler.
Am nächsten Tag wachte ich spät auf und rechnete mit dem Schlimmsten. Wahrscheinlich würde man mich am Ende ins Gefängnis schaffen oder in irgendeine Institution für jugendliche Straftäter. Was ich nicht wusste, war, dass der Bezirksstaatsanwalt bereits zum zweiten Mal an diesem Vormittag mit Kopfschmerzen kämpfte.
»Okay, es sieht so aus«, sagte die Anwältin, sobald wir in ihrem Büro saßen. »Die Polizei glaubt, dass in das Haus der Marshs gegen halb elf gestern Nacht eingebrochen wurde«, las sie von ihrem Anwaltsblock ab. »Die Eindringlinge waren Michael sowie eine unbekannte Anzahl von Komplizen.«
»Ich will die Namen«, sagte Onkel Lito zu mir. »Hast du gehört? Du wirst ihre Namen aufschreiben, und zwar jetzt gleich.«
»Stellen Sie diesen Gedanken für einen Augenblick zurück«, sagte sie und wandte sich wieder ihrem Block zu. »Nach Angabe der Polizei haben verschiedene Zeugen von der Party auf der anderen Straßenseite ausgesagt, mindestens zwei und höchstens fünf junge Männer flüchten gesehen zu haben, als die Einsatzwagen eintrafen. Es ist nicht ungewöhnlich, abweichende Aussagen von verschiedenen Personen zu bekommen. Jedenfalls haben mehrere Zeugen zu Protokoll gegeben, dass einer der jungen Männer sehr groß und kräftig war.«
Sie sah mich an, um meine Reaktion zu prüfen.
»Daraus hat man geschlossen, dass ein Schüler aus Milford namens Brian Hauser möglicherweise am Tatort war. Offenbar gibt es schon lange einen Zwist zwischen ihm und Adam Marsh. Fällt dir dazu irgendetwas ein, Michael?«
Ich zuckte nicht mit der Wimper.
»Was nun die eigentlichen Anklagepunkte angeht«, fuhr sie fort, »so gibt es keine ersichtlichen Anzeichen für ein gewaltsames Eindringen. Weshalb die Polizei vermutet, dass die Hintertür unverschlossen war. Ein glücklicher Zufall für
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