Der Mann aus dem Safe
Rückwärtsgang ein, stieß aus der Einfahrt und fuhr davon.
Als ich nach Hause kam, legte ich Amelias Strip auf meinen Schreibtisch und betrachtete und las ihn noch zig Mal, weil ich es immer noch nicht ganz glauben konnte. Dann begann ich mit der dritten Seite.
Okay, wie geht es weiter … am besten mit meinem zweiten Tag im Garten. Ich schrieb »Am nächsten Tag …« in die obere linke Ecke. Was hatte sie gesagt? Sie meinte, es sei Zeitverschwendung, einen Pool auszuheben, den niemand je benutzen würde. Dann kam sie zum Wesentlichen. Damit würde ich anfangen.
Erstes Panel also, wie sie mich beobachtet. In Shorts und T-Shirt. »Also was ist, redest du heute oder nicht?«
Nächstes Bild, ich blicke zu ihr auf.
Drittes Bild. Was hat sie als Nächstes gesagt? »Ich fall nicht auf dich rein, okay? Ich weiß, dass du reden kannst, wenn du willst. Also los, sag etwas.«
An der Stelle hatte ich meinen kleinen Schreibblock herausgeholt und geschrieben, dass ich ehrlich nicht in der Lage sei zu sprechen. So hatte es sich in Wirklichkeit abgespielt, aber hier auf diesem Blatt hatte ich freie Hand, oder? Ich konnte meine eigene, alternative Wirklichkeit erschaffen.
Viertes Panel also. Ich rede. Ja, ich mache tatsächlich den Mund auf und sage ein Wort. Auf dem Papier brauchte ich dazu nur eine Dialogblase statt einer Gedankenblase zu zeichnen. Mein erstes Wort nach neun Jahren Schweigen … Sie hatte gesagt, ich solle etwas sagen, also tat ich es. »Etwas.«
Fünftes Panel. Ihr überraschtes Gesicht. »Du kannst ja doch sprechen.«
Sechstes Panel. Meine Antwort. Ein kleines Lächeln auf meinem schmutzigen Gesicht? Nein. Kein Lächeln, bloß die Wahrheit. »Ich kann mit dir sprechen, Amelia. Nur mit dir, mit niemandem sonst.«
Am liebsten hätte ich jetzt weitergemacht. Ich wollte noch zehn Seiten füllen und sie ihr alle geben, aber das wäre nicht richtig gewesen. Damit hätte ich das Gespräch dominiert, und das hatte ich noch nie getan, wie Sie sich vorstellen können. Nein, eine Seite von mir, und dann war sie wieder dran.
Ich machte mich an die Feinarbeit, die Details, und versuchte, diesmal ein wenig selektiver vorzugehen. Ihrem Beispiel zu folgen. Die Zeit verflog. Dann, als ich gerade den Wecker stellen wollte, hielt ich inne. Du brauchst nicht jede Nacht bei ihr einzubrechen, ging mir auf. Wenn du den Umschlag einfach im Auto liegen lässt, findet sie ihn.
Andererseits musst du dann einen Tag länger warten. Und für jemanden, der sein ganzes Leben lang auf so etwas gewartet hat …
Nein. Nicht, wenn sie gleich nach dem Umschlag sieht, sobald du um zwölf dort ankommst. Dann hat sie vier Stunden Zeit, um ihre Seite zu zeichnen und sie dir zu geben. Vorausgesetzt, sie will überhaupt weitermachen. Auf alle Fälle brauchst du nicht mehr dieses blöde Risiko einzugehen.
Ich wusste, dass es so am besten war, doch zugleich war ich ein bisschen enttäuscht über diese vernünftige Lösung. Dieser Zustand, in den ich geriet, wenn ich das Schloss aufhatte und in die dunkle Küche trat … Ich würde wohl eine Zeitlang ohne ihn auskommen müssen.
Endlich war der nächste Tag da. Ich traf ein paar Minuten zu früh bei den Marshs ein. Bevor ich aus dem Auto stieg, legte ich den Umschlag aufs Armaturenbrett, damit er nicht zu übersehen war. Sie brauchte nur aus einem der vorderen Fenster zu gucken.
Mein ganzer schöner Plan verpuffte, als ich nach hinten kam und die Lakeland-Kunstmafia unter dem großen Sonnenschirm sitzen sah. Zeke neben Amelia, dann der Typ mit den platinblonden Stacheln und das andere Mädchen, dessen Haarfarbe von Zuckerwatterosa zu Sauerapfelgrün gewechselt hatte. Ich bemühte mich, sie zu ignorieren, aber ihr Lachen war nicht zu überhören und auch nicht, dass einer von ihnen bei meiner Ankunft klatschte.
Während der nächsten halben Stunde attackierte ich das Erdreich. Immer wenn ich einen verstohlenen Blick auf Amelia warf, vermied sie konsequent jeden Augenkontakt. Auf dem Rückweg von meinem zweiten Trip mit der Schubkarre stellte ich fest, dass sie verschwunden war.
Eine weitere halbe Stunde verging. Die drei Übrigen arbeiteten weiter an dem, was sie da gerade vor sich hatten. Von Minute zu Minute wurde ihr Gelächter weniger. Ich ertappte Zeke dabei, wie er mich anstarrte. Kurz darauf stand er auf und ging ins Haus. Zehn Minuten später kam er wieder heraus und sagte etwas zu Blondie und Miss Grünhaar. Die beiden sammelten ihre Sachen zusammen und gingen. Zeke
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