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Der Mann aus dem Safe

Der Mann aus dem Safe

Titel: Der Mann aus dem Safe Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Steve Hamilton
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Anzeichen von Zeke. Oder selbst Mr. Marsh. Keine Brüllerei am Telefon. Wie es aussah, war das Haus leer.
    Ungefähr eine Stunde später hörte ich ein Auto vorm Haus vorfahren. Amelia, dachte ich. Bitte lass es Amelia sein. Ich möchte sie einfach nur wiedersehen. Ich ging zum Gartenhahn, um Wasser zu holen, und hörte Mr. Marsh drinnen brüllen. Alles war wieder im Lot. Ein paar Minuten darauf kam ein Mann aus der Hintertür. Er trug ein weißes Oberhemd mit aufgebundener Krawatte, die lose um seinen Hals hing. Er war etwa im selben Alter wie Mr. Marsh, sah aber nicht aus wie ein in die Jahre gekommener Sportfanatiker, sondern hatte so was Aalglattes, als könnte er sich auf einem Gebrauchtwagenhof wie zu Hause fühlen. Er kam zu mir herüber und zündete sich eine Zigarette an.
    »Buddelst du das hier ernsthaft mit der Hand?«, fragte er.
    Ich zeigte ihm den Spaten.
    »Okay, mit dem Spaten. Du weißt, was ich meine. Gott, und ich dachte, ich hätte einen Scheißjob.«
    Ich arbeitete weiter.
    »Er hat gesagt, ich soll in den Garten gehen und mich abkühlen. Wie heiß ist es hier draußen, dreiunddreißig Grad? Vollidiot.«
    Er blies eine lange Rauchfahne aus.
    »Arbeitest du schon lange für ihn?«
    Ich schüttelte den Kopf.
    »Du redest nicht viel, oder?«
    Ich schüttelte erneut den Kopf.
    »Alle Achtung. Die Welt braucht mehr Leute, die schlau genug sind, den Mund zu halten.«
    Mr. Marsh erschien am Hintereingang und rief ihn.
    »Hab ich’s nicht gesagt. Wir sehen uns noch. Scheint, als würdest du ’ne Weile hier sein, eh?«
    Ich blickte nicht auf. Es war mir so was von egal, ob ich ihn noch einmal sehen würde oder nicht. Ich hatte ja keine Ahnung.
    Die beiden Männer fuhren zusammen weg und ließen mich dort allein. Als es auf vier Uhr zuging, gab ich der Versuchung nach und ging ein paar Minuten früher. Schließlich hatte ich was Wichtiges vor. Ich fuhr direkt nach Hause, wo ich mein Zeichenpapier herausholte und lange darauf starrte. Jetzt hast du ihr Interesse geweckt, sagte ich mir. Was ist der nächste Schritt? Bring etwas zu Papier, das sie schockiert und fasziniert und bewirkt, dass sie sich irrsinnig in dich verliebt. Ein Klacks, oder?
    Ich fing wieder an, ihr Gesicht zu zeichnen. Versuchte erneut festzuhalten, was ich in ihr sah. Nach ein paar Minuten merkte ich, dass ich genau das gleiche Porträt zeichnete. Ich legte es beiseite und nahm ein neues Blatt.
    Ich könnte mich selbst zeichnen, dachte ich. Ein Selbstporträt, das ihr hilft, mein wahres Ich zu sehen. Nicht nur den dreckverschmierten Stummen, der eine Grube im Garten gräbt. Es ist mir schon immer schwergefallen, mich selbst zu porträtieren, aber ich arbeitete eine gute Stunde lang an der Zeichnung. Dann legte ich auch die beiseite. Ich ging etwas essen, kam zurück, fing von neuem an.
    Ich wusste, dass ich mich zu sehr bemühte. Ich wusste, dass ich sie nicht mit einer einzigen Zeichnung für mich gewinnen konnte, so sehr ich mir das auch wünschte. Aber ich wusste nicht, wie ich es sonst angehen sollte. Ich zeichnete eine schnelle Skizze von mir, wie ich da an meinem Schreibtisch saß und zu zeichnen versuchte. Ich zeichnete Flammen, die aus meinem Körper schossen. Genauso fühlte ich mich. Feuer! Wahnsinn! Ich zeichnete Amelia, wie sie über mir schwebte und helles Licht von ihrem Gesicht ausstrahlte. Dann wieder mich, die Hand an der Brust, ein gebrochenes Herz über meinem Kopf. Nur albernes, unsinniges Gekritzel, um mich auf einen Einfall zu bringen.
    Ich dachte daran, wie es begonnen hatte. Als Amelia zum ersten Mal mit mir gesprochen hatte. Sie steht hinter mir, ein bisschen erhöht. Ich zeichnete die Szene, arbeitete rasch, um sie in groben Zügen wiederzugeben, ohne mich schon mit den Details aufzuhalten. Was hatte sie zu mir gesagt? Was waren ihre genauen Worte gewesen?
    »Du hast nur Scheiße im Kopf, weißt du das?«
    Ja, so war’s. Ich schrieb es über ihren Kopf und schloss es in eine Blase ein. Dann zeichnete ich einen Kasten um die ganze Szene. So entstand mein erstes Panel.
    Sie müssen bedenken, dass Comics damals ein Relikt aus meiner Kindheit für mich waren, bunte Heftchen, in denen ich mich während der langen Stunden im Lagerraum des Schnapsladens verlieren konnte. Ich wusste noch nicht, dass sie inzwischen als total cool galten, und eine »Graphic Novel« hatte ich noch nicht mal zu Gesicht bekommen. In meinem Kunstkurs hatte ein Mädchen mal so etwas wie ein Comicbuch gemacht, und Mr. Martie hatte es

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