Der Mann aus dem Safe
marschierte auf mich zu.
»Habe ich dir nicht gesagt, du sollst dich von ihr fernhalten?«
Ich grub weiter. Sah nicht mal auf.
»Ich rede mit dir.«
Ich hielt eine Hand ans Ohr, als wäre ich taub. Dann warf ich noch eine Schaufel voll Erde in die Schubkarre.
»Du verdammtes Arschloch.«
Er ging auf mich los. Ich fuhr herum und richtete das Spatenblatt auf seinen Hals. Mehr brauchte ich nicht zu tun.
»Ich krieg dich noch, du blöder Scheißer, das verspreche ich dir.«
Damit verzog er sich.
Ich arbeitete weiter. Alle paar Minuten spähte ich zu den Fenstern hinauf in der Hoffnung, Amelia zu sehen. Vergeblich. Als ich zum Wasserhahn ging, um den Krug zu füllen, hörte ich Mr. Marsh ins Telefon brüllen.
Kurz vor vier ging die Hintertür auf. Mein Herz schlug mir bis zur Kehle, bis ich sah, dass es nur Mr. Marsh war. Er hielt einen Drink in der Hand. Mit der freien Hand schnappte er sich einen der Gartenstühle und trug ihn zu meiner Grube. Er stellte ihn ein bisschen zu dicht an den Rand und kippte fast hinein, als er sich setzen wollte. Daraufhin rückte er ihn zurecht und schaffte es diesmal, sitzen zu bleiben.
Eine Weile sah er mir beim Graben zu. Sein Glas trank er in wenigen Zügen fast leer.
»Warum machst du das?«, sagte er schließlich.
Ich hob den Kopf.
»Für mich arbeiten inzwischen alle möglichen Leute. Bauen Sachen, ziehen Aufträge an Land. Weißt du, was ich meine? Alle möglichen Leute, an allen Stellen. Und soll ich dir mal was sagen?«
Er klingelte mit den Eiswürfeln in seinem Glas und leerte es.
»Ich sag dir was. Wenn jeder von denen so arbeiten würde wie du, hätte ich keine Probleme. Ich wäre stinkreich und hätte null Probleme.«
Er fischte einen der Eiswürfel heraus und bewarf mich damit. Er segelte einen halben Meter über meinen Kopf hinweg.
»Sieh dich nur an! Du kommst jeden Tag pünktlich hierher. Du machst deine Arbeit. Die ganze Zeit, die du arbeiten sollst, arbeitest du auch. Jede einzelne Minute. Und dabei hältst du auch noch die Schnauze. Keine Klagen, keine Widerrede. Keine Anrufe, um mir zu sagen, dass du eine einfache gottverdammte Sache nicht erledigen kannst, weil das und das passiert ist oder der und der irgendeinen Scheiß verzapft hat. Nichts von diesem ganzen Gelaber. Kein Wort. Hast du eine Ahnung, was ich dir damit sagen will?«
Ich rührte mich nicht. Mir war nicht klar, was die richtige Reaktion wäre oder ob er überhaupt eine brauchte.
»Wer hätte das gedacht. All diese Leute, die angeblich für mich arbeiten und verdammt gut bezahlt werden – und der Mann, der den besten Job macht, ist ein jugendlicher Delinquent und muss umsonst arbeiten. Kannst du das fassen?«
Nee, kann ich nicht.
»Willst du was trinken?«, fragte er. »Was Richtiges? Komm, ich mix dir was.«
Ich hob abwehrend die Hände. Nein danke. Es ist fast vier, und ich brenne darauf, zu meinem Auto zu kommen und nachzusehen, ob jemand was hineingelegt hat.
»Ganz sicher? Ich mach einen klasse Wodka-Martini.«
Ich lehnte ab.
Er stand von seinem Stuhl auf und stieg hinunter in das Loch. Kam mir nahe genug, dass ich seine Fahne riechen konnte.
»Ich will eigentlich gar keinen Pool. Das ist dir schon klar inzwischen, oder? Ich meine, was soll ich denn mit einem verdammten Pool?«
Absolut still zu stehen schien mir mal wieder die einzig mögliche Antwort zu sein.
»Du hast gewonnen, okay? Kein Buddeln mehr. Tu den Spaten weg. Tu die Schubkarre weg. Du bist fertig. Du hast gewonnen. Schluss damit.«
Schluss damit. Doch er stand immer noch da.
»Es tut mir leid, dass ich dich damit getriezt habe. Nimmst du meine Entschuldigung an?«
Er schien es ehrlich zu meinen. Was sollte ich tun? Ich nickte.
»Können wir jetzt Freunde sein?«
Äh … weiß nicht, was ich davon halten soll.
»Sag, dass wir Freunde sind.«
Scheiße, was soll’s. Ich nickte.
»Hand drauf?« Er wechselte sein Glas in die linke Hand und gab mir die rechte.
Ich schüttelte sie. Sie war kalt und feucht von dem Drink.
»Wenn du morgen wiederkommst, denken wir uns was anderes für dich aus, ja? Etwas, das mehr Spaß macht? Was Lohnenswerteres?«
Er ist wirklich sturzbetrunken, dachte ich. Oder sturzverrückt. Bis morgen hat er das wahrscheinlich alles vergessen – oder heute ist ein Tag voller Überraschungen.
»Es ist noch ein bisschen früh«, meinte er, »aber geh du mal nach Hause. Wir sehen uns morgen.«
Ohne ein weiteres Wort nahm er seinen Stuhl und zog ihn zurück zur Terrasse. Ich
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