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Der Mann aus dem Safe

Der Mann aus dem Safe

Titel: Der Mann aus dem Safe Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Steve Hamilton
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. Um 30 herum fing ich an, nervös zu werden. Waren etwa alle drei Zahlen im höheren Bereich? Bei den meisten Leuten ist das nicht der Fall.
    45 , 48 , 51 .
    Verdammt. Verdammt.
    72 , 75 , 78 .
    Mir brach der Schweiß aus.
    93 , 96 , 99 .
    Nichts.
    Ich hörte auf und schüttelte die Hände aus.
    »Gibt’s ein Problem?«, fragte Gunnar.
    Ich verneinte. Kein Problem, Mann. Alles unter Kontrolle.
    Ich hörte die Wellen draußen auf die Felsen krachen. Ich roch die Salzluft. Und begann von neuem.
    Als ich diesmal zur 15 kam, schien mir, dass ich nahe an der ersten Zahl dran war, aber der Unterschied fühlte sich minimal an. Es war, als wollte man einen zweitausend Kilometer entfernten Radiosender einstellen.
    Ich schüttelte wieder die Hände aus. Versuchte, meinen Kopf klar zu bekommen. Ich grübelte nicht darüber nach, wo das Problem lag, denn inzwischen wusste ich es.
    Ich hatte nicht genug geübt, ganz einfach. Hatte nicht genug an der Nummernscheibe des Safes in Julians Haus herumgedreht. Hatte nicht an meinem tragbaren Schloss herumgedreht. Ich hatte auf der faulen Haut gelegen, weil ich davon ausgegangen war, dass ich meine Fähigkeit jederzeit nach Belieben abrufen konnte.
    So musste ich nun erst einmal eine geschlagene Stunde damit zubringen, mein Feingefühl wiederzuerlangen, während Gunnar auf und ab tigerte und sich mühsam beherrschte, um mich nicht zu erwürgen. Schließlich gelang es mir, die Zahlen einzugrenzen, aber auch dann war ich mir noch nicht hundertprozentig sicher. Mein Gesicht war mittlerweile schweißüberströmt.
    Nie wieder werde ich das als selbstverständlich voraussetzen, schwor ich mir. Lass mich dieses Ding aufkriegen, und ich verspreche, von nun an jeden, aber auch jeden Tag zu üben.
    Ich stellte die verschiedenen Möglichkeiten ein, jede der verdammten Zahlenkombinationen. Keine davon öffnete den Tresor. Also musste ich noch mal von vorn anfangen und die Kontakte abtasten, alle noch mal durchgehen und die Zahl finden, die ich falsch ermittelt hatte. Als ich das endlich geschafft hatte, als ich
hoffte,
es geschafft zu haben … ging es wieder mit den Kombinationen los. Wir waren inzwischen fast zwei Stunden in diesem Haus.
    Ich kurbelte alle möglichen Einstellungen durch. Die Brandung wurde lauter. Irgendwo im Zimmer tickte eine Uhr.
    Dann … endlich. Endlich! Ich hatte die richtige Kombination und drückte den Griff herunter. Gunnar schob mich beiseite und fing an, das Geld in seinen Müllsack zu schaufeln. Ich stand auf und streckte meinen Rücken, ging ein bisschen herum und sah die Autoscheinwerfer durch eines der Fenster zur Straße.
    Verdammte Scheiße.
    Ich rannte zurück und half ihm, das restliche Geld in die Tüte zu tun. Dann knallte ich die Tresortür zu, und nichts wie wieder hin zu dem Loch im Fenster. Wir sprangen gebückt hindurch wie Zirkusartisten, rollten über den Sand und Kies draußen und kraxelten hastig die Felsen hinunter.
    Unten am Strand joggten wir in Richtung Mietwagen; die Wellen waren jetzt noch höher, und unsere Beine wurden nass. Wir kletterten zum Parkplatz hinauf und mussten oben erst mal verschnaufen. Auf einmal packte mich Gunnar am Kragen. Er starrte mir ins Gesicht, und ich erwartete, dass er mich anschrie, weil ich so scheißlange gebraucht hatte, um den Scheißsafe zu öffnen.
    »Lucy gehört mir«, zischte er. »Hast du verstanden? Sie ist der einzige Mensch, den ich je geliebt habe. In meinem ganzen Leben, klar? Hast du das kapiert?«
    Ich sah ihn an. Kam er mir jetzt wirklich damit?
    »Hast du mich verstanden oder nicht?«
    Ich nickte. Ja, kapiert.
    Er ließ mich los. Warf das Geld auf die Rückbank und setzte sich ans Steuer. Ich stieg neben ihm ein und schwor mir zwei Dinge.
    Mich von Lucy fernzuhalten.
    Und zu üben.

[home]
    Kapitel neunzehn
    Michigan
Juli 1999
    I ch wusste, es war zu schön, um wahr zu sein. Ich wusste, der Haken würde kommen. Doch vorläufig war mir das egal. Ich war draußen im Garten und grub nicht, sondern saß auf einem Stuhl neben Amelia. Mit dem offiziellen Einverständnis ihres Vaters.
    Irgendwie war es ein merkwürdiges Gefühl. Spät in der Nacht ist man ein anderer Mensch. Hier waren wir – einfach wir beide, unsere normalen Tages-Ichs. Zwei Siebzehneinhalbjährige, die auf verschiedene Schulen gingen und auch sonst in verschiedenen Welten lebten. Und von denen nur einer sprechen konnte.
    »Fühlst du dich komisch?«
    Ich nickte.
    »Möchtest du lieber graben?«
    Darauf brauchte ich wohl nicht zu

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