Der Mann aus dem Safe
Ramona und ich dort an, wir und mehrere Kisten Wein. Ramona hat ein paar Blumengestecke dazugetan, ein paar gute Zigarren. Das volle Programm. Wir schleppen also den ganzen Kram die Gangway rauf, Ramona hat ihr Bikinioberteil an und flirtet mit Mr. Schwerreich. Alle anderen sind noch an Land, weshalb das Boot ziemlich leer ist. Ich denke mir, okay, drehe ich doch mal eine kleine Runde durch die Kabinen. Nehme ein paar Blumen mit, mache ein paar Türen auf und riskiere einen Blick. Wenn er mich sieht, rede ich mich schon irgendwie raus, ich sage einfach, ich hätte Blumen in die Kabinen getan, eine kleine Geste, ein Extraservice für ihn. Also, ich habe natürlich nicht erwartet, dass die Kohle dort irgendwo auf einem Haufen herumlag, aber wenn es mir gelang herauszufinden, wo sie war, dann … konnten wir unser Glück probieren, oder? Wenn sie in einem Safe lag, konnte Lucy ihn vielleicht öffnen, dachte ich. Sie hat damals wirklich viel geübt, und ich hoffte einfach, falls es nicht gerade ein erstklassiger Safe war …«
Er unterbrach sich nachdenklich. Ramonas Lächeln war verschwunden.
»Das war wirklich dumm, ich weiß. Einfach so zu improvisieren. Ich hatte total den Kopf verloren. Natürlich stellte sich das Ganze dann ohnehin als Falle heraus. Ich sehe mich also in den Kabinen um und finde tatsächlich den Safe. Gut sichtbar in einer davon. Macht noch nicht mal einen besonders tollen Eindruck. Ich bin mir ziemlich sicher, dass Lucy ihn aufkriegen kann. Werde total aufgeregt. Da höre ich plötzlich jemanden hinter mir. Ich drehe mich um, und da steht so ein anderer Typ und zielt mit einer Pistole auf mich. Den hatte ich vorher gar nicht bemerkt. Sieht voll fies aus. Bist du ihm mal begegnet? Hat so einen trägen Gesichtsausdruck, als würde er immer halb schlafen?«
Ich nickte. Oh ja. Wir kennen uns.
»Ich serviere ihm also meine Ausrede – ›Ach, ich hab nur ein paar Blumen hier verteilt, Freund‹ –, aber er kauft sie mir nicht ab. Mann, das klang selbst in meinen Ohren lahm. Also scheucht er mich rauf an Deck, wo Ramona mit Mr. Schwerreich steht, und auf einmal ist niemand mehr freundlich. Er befiehlt mir, mich hinzusetzen, und sagt, ich soll ihm einen einzigen guten Grund nennen, weshalb er uns nicht mit raus auf See nehmen und über Bord werfen lassen soll. Ich zerbreche mir den Kopf nach einer Antwort, als Ramona dazwischenflötet: ›Weil Haie nicht gern mexikanisch essen.‹ Worauf der Kerl stutzt. Er sagt: ›Aber dein Freund hier ist kein Mexikaner‹, darauf sie: ›Wer redet denn von
ihm?
‹ Was ihn immerhin zum Lachen bringt. Aber dann wurde er wieder ganz ernst und sagte: ›Jemand hat mir erzählt, ihr Leute wärt gut. Also wollte ich mich selbst davon überzeugen. Ist das eure übliche Masche? Warten, bis ein reicher Knacker mit einer Jacht auftaucht? In den Kabinen herumschnüffeln?‹ Und ich: ›Aber nein, Sir. Überhaupt nicht, Sir. Wie haben Sie denn eigentlich von uns gehört?‹ Denn zu der Zeit konnte er unmöglich schon von uns wissen. Ich meine, echt unmöglich. Aber er beugt sich ganz dicht zu mir heran und sagt: ›Ich weiß alles. Das darfst du nie vergessen.‹ Und ich denke mir, okay, das war’s. Wir sind tot. Der träge aussehende Typ wird uns gleich eine Kugel in den Kopf jagen … Doch dann ließ er uns gehen. Unter zwei Bedingungen. Erstens, vielen Dank für den ganzen Wein und die Zigarren und Blumen. Das war sehr aufmerksam von euch, das alles aufs Boot zu liefern. Zweitens, hier ist eine Telefonnummer. ›Wenn ihr lange genug lebt, um zu lernen, wie man so etwas richtig macht‹, sagte er, ›werdet ihr vermutlich einen guten Schrankmann brauchen.‹ Wir sollten nur immer daran denken, ihm zehn Prozent vom Erlös zu geben. Und so haben wir schließlich den Ghost kennengelernt.«
»Lucy hat dir erzählt, dass sie ihn ein paarmal besucht hat?«, fragte Ramona. »Um von ihm zu lernen?«
Ich nickte.
»Wie es sich so fügt«, sagte Julian. »Jetzt haben wir dich stattdessen.«
Ja, wie es sich so fügt, dachte ich. Jetzt bin ich hier. Arbeite mit einem zusammen, der das falsche Objekt reinlegen wollte. Das absolut falscheste, das man sich aussuchen kann.
Kein Wunder, dass er jetzt so vorsichtig ist.
Etwa einen Monat später war endlich der nächste Bruch geplant. Es wurde Zeit, wieder an die Arbeit zu gehen.
Das Opfer war ein geschniegelter Typ von der Sorte Anzug ohne Socken, der oben in Monterey wohnte, anscheinend in so einem absurden, direkt
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