Der Mann aus dem Safe
über dem Meer hängenden Haus. Er war in der letzten Zeit jede Woche wegen irgendwelcher Geschäfte im Dunstkreis von Hollywood nach L.A. gekommen und hatte etwas für teure Weine und noch mehr für schöne Frauen übrig, die das gewisse Etwas hatten. Wobei Lucy ins Spiel kam. Sie würde den Köder abgeben, genau wie Gunnar es mir prophezeit hatte.
An einem klaren Apriltag holte Julian also das Auto aus der Garage, und wir fuhren die Küste hinauf nach Monterey. Sechs Stunden auf dem Pacific Coast Highway. Wir übernachteten in einem kleinen Hotel und bereiteten uns am nächsten Tag darauf vor, Mr. Mondgesicht auszunehmen. Das war unser Spitzname für ihn.
Julian, Ramona und Lucy waren am Abend bei ihm zum Essen eingeladen. Mr. Mondgesicht hielt sich für einen Gourmet und hatte so etwas wie gedünsteten Seebarsch oder ähnlichen Kram gekocht, wozu sie ein paar von den Flaschen leerten, die Julian mitgebracht hatte. Als der Mann gerade abgelenkt war, holte Julian eine Rasierklinge hervor und machte einen länglichen Schlitz in die elektrische Folie, die um eines der zur Seeseite gelegenen Fenster herum verlief. Natürlich waren sämtliche Fenster von dieser Folie umgeben, und wenn der Besitzer nun sein Alarmsystem einschaltete, würde an dem einen Fenster eine Unterbrechung des geschlossenen Stromkreises angezeigt werden. Sah er sich dann das Fenster an und konnte keinen Schaden feststellen, würde er sich vornehmen, die Sicherheitsfirma anzurufen, damit das Problem behoben wurde. Wollte er nun aber gerade aufbrechen, um sich in der Stadt zu amüsieren und zu versuchen, die junge Lucy ins Bett zu bekommen, würde dieser kleine Schwachpunkt in seinem elektrischen Schutzwall erst mal bis zum nächsten Tag zurückgestellt werden.
Als sie endlich aus dem Haus waren, traten Gunnar und ich auf den Plan. Der Luxusbungalow stand dicht an der Straße und an ein paar anderen absurd am Steilufer klebenden Häusern, weshalb es nur einen möglichen Zugangsweg für uns gab. Wir fuhren mit dem Auto, das Gunnar in der Stadt gemietet hatte, zu einem Aussichtspunkt unten am Ufer und stellten es dort ab. Dann kletterten wir den Felshang hinunter, gingen ein Stück am Strand entlang und kletterten von dort zu dem Haus hinauf. Es wurde eine längere Kletterpartie, als wir vorausgesehen hatten, und das Wetter schlug um. Der Wind frischte kräftig auf, so dass sich die Wellen unter uns türmten. Es war dunkel und kaum zu erkennen, wohin man seinen Fuß setzte.
Der Pazifische Ozean direkt unter mir, während ich mich die nassen Felsen hinaufhangelte. Ein falscher Schritt, dachte ich, das reicht schon. So wollte ich nicht sterben, nicht heute. Im nächsten Augenblick rutschte ich aus und merkte, wie ich fiel. Ich spürte schon das kalte Wasser an meinem Körper. Die Wellen, die mich herumwarfen und auf den Grund zogen. Wie still es dort unten sein musste, verglichen mit diesem Toben an der Oberfläche.
Dann streckte Gunnar die Hand aus und packte mich am Gürtel. Rettete in diesem Augenblick mein sterbliches Leben. Als ich wieder auf den Felsen stand, schüttelte ich den Schreck ab, und wir kletterten weiter, bis wir oben am Haus waren.
Gunnar machte das Fenster mit der deaktivierten Folie ausfindig, klebte einen Klumpen Knetmasse an die Scheibe und schnitt ein Loch hinein, das gerade groß genug war, damit wir beide hindurchpassten. Offensichtlich war diesmal kein sauberes Rein und Raus geplant. Man kann schlecht seine Spuren verwischen, wenn man ein großes Loch in ein Fenster geschnitten hat. Julian war jedoch zuversichtlich, dass das in diesem Fall auch nicht nötig sein würde. Nicht bei Mr. Mondgesicht. Also drangen wir gewaltsam ein und standen innerhalb von zwei Minuten im Haus. Hier gab es keinen Infrarot-Bewegungsmelder, auf den wir aufpassen mussten, also konnten wir loslegen. Julian, Ramona und Lucy würden mit Mr. Mondgesicht noch mindestens zwei Stunden durchs Nachtleben ziehen.
Wir kamen durch die Küche, vorbei an den Überresten ihres Gourmetmahls. Ein halbes Dutzend leerer Weinflaschen stand auf dem Tisch. Wir lokalisierten das Büro des Mannes, wo der Tresor stolz in der Ecke aufragte. Mit versteckten Wandsafes hatte er nichts am Hut.
Ich schloss zunächst die voreingestellten Kombinationen aus, dann wurde es ernst.
Den Kontaktbereich finden, die Scheiben parken, drehen und zählen. Drei Scheiben, Häkchen.
Zurück auf 0 . Wieder den Kontaktbereich finden, die kurzen Abstände ertasten.
3 , 6 , 9 , 12 , 15
Weitere Kostenlose Bücher