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Der Mann, der den Regen träumt

Der Mann, der den Regen träumt

Titel: Der Mann, der den Regen träumt Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Al Shaw
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stellte Daniel ihr eine Frage über Finn, über Dinge, die er meinte, nie verstanden zu haben, und lauschte gebannt ihrer Antwort, nur um daraufhin wieder mit gerunzelter Stirn in tiefes, nachdenkliches Schweigen zu verfallen.
    »Hat Finn Ihnen je«, fragte er schließlich, »von meiner Mutter erzählt?«
    »Ich glaube nicht.«
    »Maryam. Ich habe ein Foto von ihr.«
    Sie nahm es ihm aus der Hand, als er es ihr reichte. Maryams Augen und ihre Brauen waren, genau wie Daniels, ernst und streng. Aus irgendeinem Grund jedoch wirkte sie unbeschwerter als Daniel. Vielleicht lag es aber auch nur an der Art, wie der Wind ihr Kleid flattern ließ.
    Elsa wollte es ihm zurückgeben. Er nahm es nicht.
    »Es wäre mir eine Freude, wenn Sie dieses Bild von ihr verwahren würden.«
    »Daniel, das kann ich nicht …«
    »Ich bestehe darauf.«
    Sie seufzte. Ihr fehlte die Kraft, um zu widersprechen. »Ich nehme es nur an, wenn Sie mir einen Gefallen tun.«
    »Was denn?«
    »Bringen Sie mich ans Fenster. Ich will die Gewitterwolke sehen. Für den Fall, dass es meine letzte Gelegenheit ist. Ich will nicht, dass er sich ausregnet, bevor ich ihn noch einmal gesehen habe.«
    Er zögerte. »Sie sollten das Bett nicht verlassen.«
    »Wenn Sie Nein sagen, gebe ich Ihnen das Foto zurück.«
    Daniel fasste sie unter den Achseln und hob sie so behutsam wie möglich aus dem Bett, doch allein die Schwerkraft zerrte derart roh an ihren Muskeln, dass Elsa mit zusammengebissenen Zähnen wimmerte. Am Fenster stellte er sie auf die Füße und sie lehnte sich an ihn, während er mit einem Arm ihre Schultern und mit dem anderen ihre Hüfte stützte.
    »Sehen Sie genug?«
    Ihr war schwindelig vor Schmerz, doch sie nickte.
    Finns Gewitter hatte sich über ganz Thunderstown ausgebreitet. Von Weitem sah er so ruhig aus – wenn nicht gerade ein Blitz seine düsteren Schwaden weiß aufflackern ließ –, doch sie wusste, wie viel Leben in ihm steckte. Von Nahem würden Adergeflechte von arktischer Kälte zu sehen sein, die faustgroße Hagelkörner durch seinen Wolkenkörper pumpten. Ein Herz aus Wasser, das ihn am Leben erhielt.
    Eine gezackte weiße Linie erleuchtete ihn. Dann folgte eine Weile helles Flackern und schließlich der Blitzschlag, dessen Donner erst zwei Sekunden später zu ihnen herüberdrang. Elsa genoss den Widerhall in ihren Knochen, auch wenn er in ihren Muskeln schmerzte. Sie sehnte sich nach dem nächsten Donner, um Finn abermals zu spüren.
    Daniel starrte unterdessen auf die blitzumzuckte Stadt hinunter und bewunderte Elsa für ihren Mut. Sie war auf den Glockenturm geklettert, um Finn nahe zu sein, ohne an ihre eigene Verletzbarkeit zu denken. Wieder flammte ein Blitz auf und einen Moment lang stand eine Linie aus Licht am Himmel, die sich zu fünfzig weiteren verzweigte. Sekunden später ertönte der Donner, ein bassartiges Rumpeln, das ihre Körper durchdrang, während sie so aufeinandergestützt dastanden.
    »Was hat Sie dazu getrieben«, flüsterte er ehrfürchtig, »dort hinaufzuklettern und sich vom Blitz treffen zu lassen?«
    Sie lachte verbittert. »Das habe ich Ihnen doch schon erklärt. Es war das, was mein Dad immer gesagt hat. Ich habe mich daran erinnert und aus irgendeinem Grund gedacht, ich könnte Finn so retten. Mein Vater hat gesagt, immer wieder, dass ein Blitz eine Verbindung ist und kein Einschlag aus einer Richtung. Darum dachte ich, dass ich so vielleicht mit Finn in Verbindung treten kann.«
    Er wollte antworten, dann aber schloss sich sein Mund mit einem hellen Klack und sein ganzer Körper versteifte sich. Sie sah, wie sich die Härchen auf seinen Unterarmen aufrichteten.
    »Was ist los, Daniel?«
    Eine Minute lang starrte er bloß schweigend in den Sturm hinaus und sie hätte schwören können, dass er dabei nicht ein einziges Mal blinzelte. Dann wandte er sich ihr zu, einen irrsinnigen Ausdruck in den Augen, und flüsterte: »Es wird alles wieder gut.«
    »Daniel … das glaube ich nicht. Ich fürchte, jetzt brauchen Sie ein bisschen Ruhe. Ich weiß nicht, ob jemals wieder alles gut wird. Als ich zu mir gekommen bin, war ich überzeugt davon, dass ich ihn irgendwie zurückholen kann. Aber jetzt sehe ich keine Möglichkeit mehr. Ich weiß nur, dass es mich zerreißen wird, wenn sein letzter Regen fällt. Meinen Sie das damit, wenn Sie sagen, dass alles wieder gut wird?« Wieder brach sie in Tränen aus, jeder Schluchzer wie ein Faustschlag auf ihr Brustbein.
    Daniel starrte sie einfach nur an.
    »Sehen Sie?

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