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Der Mann, der den Zügen nachsah

Der Mann, der den Zügen nachsah

Titel: Der Mann, der den Zügen nachsah Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Georges Simenon
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klaren Verstandes, beim Schreiben des Briefes der Gedanke, daß ein Poststempel von einem Ort nahe bei Juvisy für sie einen Anhaltspunkt ergäbe und der Brief nicht mehr viel nützen würde.
    Es war besser, nach Paris zurückzufahren. Er nahm die Straßenbahn, deren Rütteln ihm fast Übelkeit verursachte, wie es einem geht, wenn man übermüdet ist. In der Nähe des Louvre kaufte er eine Briefmarke und warf seinen Brief in den Kasten, nachdem er ihn noch einen Moment in der Schwebe gehalten hatte.
      Von nun an brauchte er nicht mehr zu überlegen. Es genügte, in die Tat umzusetzen, was er beschlossen hatte, Punkt für Punkt und ohne einen Fehler zu machen.
    Es regnete immer noch. Paris war wie ein Alptraum,
    grau, schmutzig und wirr, bevölkert von Leuten, die offenbar nicht wußten, wohin sie gingen, mit Straßen in der Umgebung der Markthallen, wo man auf Gemüseabfällen ausglitt, und mit Schaufenstern voller Schuhe. Zum ersten Male fiel ihm die Unmenge von Schuhgeschäften auf mit hunderten von Paaren in der Auslage.
      Vielleicht hätte er in seinem Brief noch sagen sollen, daß…
      Aber nein! Damit man ihm glaubte, durfte er nicht zuviel da hineinpacken. Außerdem war es zu spät, zu spät für alles! Er hatte nicht einmal den Mut gehabt, dem Mann seine Kleidung abzunehmen!
      Denn andere Kleidung brauchte er, koste es, was es wolle. Erst gestern nacht hatte er irgendwo unter einer Unterführung der Metro einen Betrunkenen gesehen, der auf einer Bank schlief.
      Es hätte genügt, ihn mit einem Schlag auf den Kopf zu betäuben und ihn auszuziehen. Was hätte ihm das schon ausgemacht? Der Mann hatte sich erbrochen. Eine leere Weinflasche lag zu seinen Füßen.
      Popinga war sicher, daß er ihn nicht aus Mitleid verschont hatte. Das war es nicht. Nur, er war sich darüber im klaren: Es war zu spät, weiter nichts!
    Selbst wenn er gleich mit solchen Sachen angefangen
    hätte, er wußte es jetzt; das wäre nicht gutgegangen. Eine Zeitung hatte den Kern der Sache erfaßt, und Kees hatte es beim Lesen nicht gleich bemerkt und den Artikel mit anderen, die für ihn ohne Interesse waren, in die Tasche gesteckt.
       Ganz offensichtlich, schrieb der Redakteur, der mit Charles Bélières unterzeichnete, haben wir es hier mit einem Amateur zu tun…
      Jetzt hatte er begriffen! Er hatte es schon begriffen, als der Barkeeper ihm verkündet hatte, daß er um seine Brieftasche erleichtert worden war! Er war ein Amateur! Eben deshalb behandelte Kommissar Lucas ihn nur mit Verachtung. Eben deshalb nahmen die Zeitungsschreiber ihn nicht ernst und eben deshalb machte Louis die ganze Unterwelt gegen ihn mobil.
      Ein Amateur! Es hätte nur an ihm gelegen, sich ein anderes Etikett zu verdienen, aber dann hätte er früher anfangen müssen und auf ganz andere Art…
      Warum machte er sich noch die Mühe nachzudenken, da es doch zu Ende war? Das verdarb ihm nur den Verstand, wie sein Magen schon verdorben war, und er durfte die Kleiderfrage nicht vergessen. Dafür mußte er eine Straße wiederfinden, die er vorige Woche entdeckt hatte, eine enge Straße hinter der Bank »Crédit municipal«, wo eine Menge Gebrauchtwaren angeboten wurde.
      Er irrte in einem seltsamen Viertel umher, überquerte die Rue des Rosiers, die ihn an Jeanne erinnerte – was würde die wohl sagen? –, hatte dann einen Moment die Idee, seine Uhr zu verkaufen. Aber wozu? Was würde er für eine Uhr bekommen, die er selbst für nur achtzig Francs gekauft hatte?
    Er durfte nicht schwach werden oder mit großen Augen in die Bistros starren wie ein Kind, dem man ein Bonbon verweigert hat. Auch Alkohol würde nichts besser machen! Was allein zählte, war der Brief. Er wiederholte bei sich die einzelnen Sätze, entschied, daß der Brief alles in allem nicht schlecht abgefaßt war, wenn er auch einige Einzelheiten vergessen hatte.
      Welche Überschrift würde man ihm geben? Welche Kommentare würde man daranhängen?
      Vor allem brauchte er sich nicht mehr in den Spiegeln der Schaufenster zu betrachten. Das war lächerlich. Das konnte nur auffallen. Und am Ende würde er nur sich selbst bemitleiden.
      Er mußte weiter… Sieh da! Jetzt war er in der Rue des Blancs-Manteaux, und diesen kleinen Laden zur Rechten hatte er vorige Woche bemerkt.
      Es kam darauf an, sich ganz natürlich zu geben, ein Lächeln zustande zu bringen.
    »Pardon, Madame…«
      Denn eine alte Dame wurde im Hintergrund des Ladens zwischen den

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