Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Der Mann, der den Zügen nachsah

Der Mann, der den Zügen nachsah

Titel: Der Mann, der den Zügen nachsah Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Georges Simenon
Vom Netzwerk:
wurde, hat ein gewisser Kommissar Lucas, der seit zwei Wochen verkündet, daß meine Verhaftung nur eine Frage von Stunden sei, Missetäter, die gegen das Gesetz verstoßen haben, und Vorbestrafte freigelassen, um sie auf meine Spur zu hetzen.
       Wollen Sie freundlichst diesen Brief veröffentlichen, der eine sinnlose Jagd beendet, die weder Ruhm noch Prestige einbringt?
       Es ist das letzte Mal, daß ich Ihnen schreibe, und auch das letzte Mal, daß man überhaupt von mir hören wird. Ich habe jetzt nämlich das Mittel gefunden, um das Ziel zu verwirklichen, das ich mir vorgenommen hatte, als ich Groningen verließ und mit den allgemeinen Verhaltens regeln brach.
       Wenn Sie diesen Brief erhalten, werde ich nicht mehr Kees Popinga heißen und nicht mehr in der Situation eines Verbrechers sein, der vor der Polizei flieht.
       Ich werde einen ordentlichen Namen und einwandfreie Personalien haben, und ich werde zu der Kategorie von Leuten gehören, die sich alles erlauben können, weil sie Geld haben und hinreichend zynisch sind.
    Entschuldigen Sie, daß ich nicht sage, ob ich in London,
    in Amerika oder ganz einfach in Paris meine Operationsbasis haben werde, aber Sie werden verstehen, daß in meinem Fall Diskretion unerläßlich ist.
       Es mag Ihnen genügen zu wissen, daß ich in großem Stil arbeiten werde, und statt mich mit Frauen wie Pamela oder Jeanne Rozier abzugeben, werde ich meine Mätressen unter den Stars von Bühne und Film auswählen.
    Das ist es, Herr Chefredakteur, was ich Ihnen sagen wollte, und wenn ich für Sie das Erstrecht dieser Veröffentlichung reserviert habe, so deshalb, weil Ihr Mitarbeiter Saladin, dem ich eine Zeitlang böse war, mir mit seinem gestrigen Artikel sehr genützt hat.
       Lassen Sie mich Ihnen wiederholen, daß ich, wenn Sie diesen Brief bekommen – und ich weiß, was ich sage! –, völlig unangreifbar sein werde und daß Monsieur Lucas genötigt sein wird, seine Fahndung zu beenden, die er so fabelhaft und elegant geleitet hat…
       Somit werde ich bewiesen haben, daß ein Mann – ein einfacher Angestellter, solange er die Spielregeln befolgt hat – allein mit seiner Intelligenz jede beliebige Stellung erlangen kann, sobald er sich seine Freiheit zurücknimmt.
       Empfangen Sie, Herr Chefredakteur, die besten Grüße von einem, der hier zum letzten Mal unterzeichnet als Kees Popinga

    Er hätte beinahe noch hinzugefügt: Paranoiker. Doch als dann der Wirt an der Glastür stand und in den Regen hinausschaute und Popinga die grünangestrichenen Barken am Ufer bemerkte, fühlte er sich gedrungen, etwas zu sagen:
    »Ich besitze auch so ein Schiff!«
    »Ah so?« meinte der andere höflich.
      »Nur daß es ein ganz anderes Modell ist. Ich glaube, man kennt das in Frankreich nicht…«
      Er erläuterte die Konstruktion seines Fahrzeugs, während die Wirtin mit Eimern hereinkam, um den Boden aufzuwischen.
      Das Seltsamste war, daß er, während er so von seinem »Zeedeufel« erzählte, plötzlich ein Brennen in den Augen spürte und den Kopf abwenden mußte. Er sah sein Schiff, blitzblank wie ein Spielzeug, am Ufer des Kanals, und da mit einemmal…
    »Was bin ich schuldig?… Ach ja… Wie komme ich zurück nach Paris?«
      »Sie haben die Straßenbahn, fünfhundert Meter von hier.«
    »Und Juvisy? Ist das weit?«
      »Da müssen Sie den Zug in Alfortville nehmen. Oder auch von Paris aus den Autobus.«
      Es fiel ihm schwer wegzugehen. Er betrachtete noch einmal den Tisch, an dem er geschrieben hatte, den Ofen und die wohlig in der Wärme auf einem Korbstuhl liegende Katze, die Alte, die auf den Knien den Boden aufwischte, und den Mann, der eine krummstielige Pfeife rauchte und einen blauen Seemannspullover trug.
    »Der lachende Karpfen…« wiederholte er für sich.
      Er hätte ihnen gern noch etwas gesagt, ihnen zu verstehen gegeben, daß sie, ohne es zu wissen, einem großen Ereignis beigewohnt hatten, und ihnen empfohlen, sehr aufmerksam die morgigen Zeitungen zu lesen.
      Er zögerte noch. Er hätte auch ein Glas Cognac gebraucht, aber er mußte mit seinen zwanzig Francs haushalten.
    »Ich gehe also…« sagte er seufzend.
      Und die beiden erwarteten nichts anderes, denn sie fanden ihn reichlich sonderbar.
      Eigentlich hatte er es etwas anders geplant. Er hatte sich vorgenommen, zu Fuß Juvisy zu erreichen, gemütlich an der Seine entlang, denn er hatte ja den ganzen Tag vor sich. Aber ihm kam, wiederum ein Beweis seines

Weitere Kostenlose Bücher