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Der Mann, der Donnerstag war

Der Mann, der Donnerstag war

Titel: Der Mann, der Donnerstag war Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Gilbert Keith Chesterton
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Ich verurteile Sie hiermit zum Tode. Guten Tag.«
    So geschah es, daß, als Gabriel Syme wieder in das Karmesinrot des Abends heraustrat, er es in seinem schäbigen schwarzen Hut und mehr als schäbigen Mantel tat: als Mitglied des Neuen Detektivkorps zur Vereitelung der Großen Verschwörung. Auf Anraten seines Freundes, des Polizisten, (der aus Beruf zur Nettigkeit hinneigte) kämmte und wichste er Haar und Bart, kaufte sich einen anständigen Hut, kleidete sich in einen exquisiten lichtblaugrauen Sommeranzug, steckte eine blaßgelbe Blume ins Knopfloch und ward mit einem Wort zu jenem eleganten und ziemlich unausstehlichen Menschen, mit dem Gregory in dem kleinen Garten zu Saffron Park allsogleich in Konflikt geriet. Ehe denn er den polizeilichen Boden endgültig verließ, stattete ihn sein Freund noch mit einer kleinen blauen Karte aus, darauf stand: »Der Letzte Kreuzzug« sowie eine Nummer – das Zeichen seiner Beamtenwürde. Solches steckte er sorgfältig in seine obere Westentasche, zündete sich eine Zigarette an und zog aus: aus wider den Feind in allen Salons von London. Wohin sein Unternehmen ihn zuletzt verschlug, das haben wir bereits gesehen. Und ungefähr um ein halb zwei Uhr in einer Februarnacht fand er sich mit einemmal auf einem kleinen Dampfer auf der schweigenden Themse, mit Stockdegen und Revolver bewaffnet, als statutenmäßig erwählter Donnerstag des Zentral- Anarchistenrats.
    Wie Syme in die Barkasse einstieg, war ihm gerad so absonderlich zumute, als ob er in etwas ganz und gar Neues hineinstiege. Nicht nur in die Landschaft eines neuen Landes; sondern wie in die Landschaft eines neuen Planeten. Und das war wohl hauptsächlich aus dem toll-unerschütterlichen Entschluß dieses Abends heraus – immerhin aber auch trug die gänzliche Veränderung der Witterung und des Himmels (in den zwei Stunden, seit er in die kleine Kneipe hineingeraten war) etwas dazu bei. Keine Spur mehr von dem wilden Wolkengefieder um die Zeit des Sonnenuntergangs ... ein nackichter Mond stand in einem nackichten Himmel. Der Mond war so hell und voll, daß er (eine Paradoxie, die schon oft wahrgenommen wurde) wie eine trübere und schmächtigere Sonne aussah. Da war nichts von einem lebendigen Mondschein – da war vielmehr etwas wie ein totes Tageslicht.
    Die ganze Landschaft war von einer Helligkeit überstrahlt – und entstellt – gerad wie von jenem unheilvollen Zwielicht (von dem Milton sprach), das die Sonne bei Sonnenfinsternissen um sich verbreitet. Also daß Syme leichtlich auf jenen Gedanken verfallen konnte: er wäre tatsächlich auf einem anderen leereren Planeten, der einen düstereren Stern umkreiste. Aber je ungestümer diese glitzernde, alles Mondlichtland überglitzernde Schwermut auf ihn eindringen wollte, desto schimmernder wölbte sich ihm der Panzer seines wahnsinnigen Heldentums und ward als wie ein großes Feuer. Just die prosaischsten Dinge, so er mit sich trug, die Wurststullen, der Brandy und der geladene Revolver, erschienen ihm bald von jener fast mit den Händen zu greifenden Poesie umgeben, wie sie ein Kind fühlt, wenn es sein Gewehr auf die Reise oder ein Stückchen Kuchen ins Bett mitnimmt. Der Stockdegen und die Schnapsbuttel, obschon an sich nichts weiter als das Werkzeug pathologischer Verschwörer, veredelten sich ihm zu Dingen seiner (denn doch um etwas gesünderen) Romantik. Der Stockdegen ward ihm sein Heldenschwert – und der Fusel zu Wein vom ritterlichen Abschiedstrunk. Denn gerade die unmenschlichsten Phantasien verlassen sich auf ältere und simple Vorbilder. Die Abenteuer mögen verrückt – der Abenteurer aber muß gesund sein. Der Drachen ohne den Ritter Sankt Georg – wäre der viel grotesk? Gleicherweise war diese unmenschliche – geisternde Landschaft einzig denkbar durch die Anwesenheit eines tatsächlich menschlichen – menschlichen Menschen. Syme, der gern alles übertrieb, erschienen die hellen bleichen Häuser und Terrassen an der Themse, so öde wie die, Gebirge auf dem Mond ... Selbst der Mond ist nur poetisch, weil da ein Mann im Monde ist.. Das Schiff, das von zwei Männern bedient wurde, hatte große Plackerei und kam nur verhältnismäßig langsam voran. Der helle Mond, der über Chiswick stand, war untergegangen, als Batter- see passiert wurde; und als man durch das enorme Westminster fuhr, begann der Tag anzubrechen. Brach an – so wie ungeheuere Barren Blei bersten mit silbernem Scheinen. Und dieses Scheinen erglomm zu weißen Feuern, als das

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