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Der Mann, der Donnerstag war

Der Mann, der Donnerstag war

Titel: Der Mann, der Donnerstag war Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Gilbert Keith Chesterton
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gings, dem Elefanten nach, und hinein in all den Terror, den das Untier von Straße zu Straße bereitete. Diese ganze Zeit drehte sich Sonntag nicht ein einziges Mal nach ihnen um, sondern wies ihnen unverwandt all seine unmeßbare, unübersehbare Hinteransicht – was einen womöglich noch verrückter machen konnte als vorher seine Juxkarten. Indes, gerade wie sie in die Baker Street einbogen, sahst du, wie er etwas hoch, hoch in die Luft warf und es so wie einen Ball wieder auffangen wollte. Aber bei einem Rennen wie dieses war, fiel es erst just über der Droschke, in der Gogol saß, wieder herunter. Und in der Hoffnung, daß das vielleicht einen Anhaltspunkt oder irgendeinen Impuls enthalten könnte, hobs Gogol, halb im Weiterfahren, auf. Es war – ausgerechnet an ihn adressiert und war fast ein richtiges Paket zu nennen. Bei näherer Prüfung erwies es sich jedoch als aus dreiunddreißig absolut wertlosen Papierfetzen bestehend, von denen einer in den andern gewickelt war. Und als die letzte Hülle abgeschält war, blieb als eigentlicher Inhalt ein kleiner Streifen Papier, darauf geschrieben stand: »Die «Welt, ich mein, müßt rosenrot sein!«
    Und der Mann, der dir als Gogol vorgestellt ward, der sagte keinen Ton; aber seine Hände und Füße wurden ihm gerade so und werkten, als ob er ein Roß zu erneutem Galopp anspornen und peitschen würde.
    Straße um Straße, Distrikt um Distrikt ließ dieses Monstrum von einem fliegenden Elefanten hinter sich. Und in jedem Fenster stand Kopf an Kopf. Und der gesamte Straßenverkehr mußte nach rechts oder links ausweichen. Und immer hinterdrein, durch all das entsetzte Publikum, die drei Droschken – daß es schließlich aussah, als gehörten die mit zu dem grotesken Festzug und als wärs etwa der marktschreierische Aufzug eines Zirkus ... Und das ging und ging immer noch in einem solch aberwitzigen Tempo, daß Syme mit einemmal die Albert Hall in Kensington erblickte, als er vermeinte, er wäre noch lange in Paddington. Und die Pace des Viehs wurde schließlich durch die leeren aristokratischen Straßen von South Kensington gar noch eine freiere und also wütendere ... und endlich gings da hinaus, wo das Riesenrad von Earls Court gen Himmel ragte. Und das Rad wurde immenser und immenser und wurde zuletzt gar wie die Himmelsachse selber und das himmlische Rad mit den unendlichen Sternen.
    Das Vieh war mit Droschken nun einmal nicht einzuholen ... Sie verlorens, wies nun um ein paar Ecken herumging, immer mehr aus den Augen. Und als sie vor einem Eingang zur Earls Court Exhibition anlangten, konnten sie noch dazu überhaupt nicht mehr weiter und mußten anhalten. Eine Riesen-Menschenmenge war da – und mitten drin ein riesiger Elefant, stöhnend und bebend, wie solch unförmige Kreaturen nun einmal tun. Aber der Präsident – – der war weg.
    »Wo ist er hin?« schrie Syme, noch unterm Abspringen.
    »Der Herr sind in die Ausstellung gegangen, Herr!« sprach ein Beamter – noch ganz verblüfft. Und setzte dann – immer noch wie vor den Kopf geschlagen, hinzu: »Ein urkomischer Herr. Bat mich, sein Reitpferd zu halten. Und gab mir noch dieses hier.«
    Und hielt wie blödsinnig ein zusammengefaltetes. Stück Papier hin – das die Aufschrift trug: »An den Sekretär des Zentral-Anarchistenrats.« Der Sekretär riß es wutschäumend auf; und da, stand folgendes zu lesen:
»Solangs dem Häring unter Binsen tut passen,
mögt ihr Herrn Sekretär grinsen lassen.
Nur sowie der Häring mit fliegen droht,
schlagt die Schreiberseele tot!

Bäuerisches Sprichwort.«
     
    »Warum – o je! o je! –« fing der Sekretär an, »haben Sie denn den Mann hineingelassen? Oder kommen die Leute zu Ihrer Ausstellung da regelmäßig auf wildgewordenen Elefanten angeritten? Oder aber – –«
    »Sehen Sie doch!« brüllte Syme mit einemmal. »Sehen Sie da – da – da hinauf!«
    »Wo hinauf?« brüllte der Sekretär zurück.
    »Auf den Fesselballon!« schrie Syme und gestikulierte wie tobsüchtig.
    »Warum zu allen Teufeln soll ich mir einen Fesselballon ansehen?« beschwor ihn der Sekretär. »Was ist an einem Fesselballon so Sonderbares?«
    »Nichts«, versetzte Syme. »Außer er ist eben nicht mehr gefesselt!«
    Sie sahen alle nach oben: und da schwebte und schwankte ein Ballon über der Ausstellung – an einem Seil – wie ein Kinderballon. Und eine Sekunde später fiel, zwei Sekunden lang, etwas herab, und zwar gerade auf die Droschke herab, und das war das Seil – –

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