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Der Mann, der ins KZ einbrach

Der Mann, der ins KZ einbrach

Titel: Der Mann, der ins KZ einbrach Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Rob Broomby Denis Avey
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Gefahr. Der Werksleiter, zur damaligen Zeit ein allmächtiger Mann, forderte Servicetechniker aus Bolton an, aber bis sie erschienen, konnten Tage, wenn nicht Wochen vergehen.
    Ich erklärte, ich könne die Maschinen reparieren. Ich war beliebt, galt aber als ein wenig sonderbar. Das traf es ziemlich gut, denn ich war längst noch nicht wieder ich selbst. Der Werksleiter erklärte, meine Behauptung, eine solch komplizierte Maschine reparieren zu können, sei absurd. Er konnte nicht wissen, dass ich vor dem Krieg Sir Oliver Lyle bei dessen Experimenten zur Verbesserung des Wirkungsgrades von Dampfmaschinen assistiert hatte, als ich bei der Zuckerfirma Tate and Lyle arbeitete. Den einen oder anderen Trick hatte ich damals aufgeschnappt.
    Ich hatte also guten Grund, alles auf eine Karte zu setzen, aber es war ein Glücksspiel. Die Geschäftsleitung wusste, dass ich mit Werkzeug gut umgehen konnte, und am Ende sagte man sich, dass man nichts zu verlieren habe. Mir war klar, dass ich mir eine gewaltige Aufgabe aufgehalst hatte. Ich musste eine Kurbelwelle von fünfzig Tonnen Gewicht hydraulisch anheben, die Lager ausbauen, sie grob neu formen und auf einer Drehbank fertigstellen. Dann baute ich sie wieder ein und schliff sie glatt. Nach sechsunddreißig Stunden Arbeit ohne Unterbrechung oder gar Schlaf hatte ich die Maschine wieder in Gang gebracht. Man bejubelte mich, und mir fiel ein Stein vom Herzen.
    Ich hatte der Firma Zehntausende Pfund erspart. Mein Erfolg wurde von der Hauptgeschäftsstelle registriert, und man bot mir eine Beförderung und einen neuen Job bei einer Firma an, die der gleichen Dachgesellschaft gehörte.
    Die Firma hieß UMP . Ich sollte die Stelle das Chefingenieurs antreten. Das Blatt hatte sich für mich gewendet. Endlich konnte ich mein Können ausspielen. Es entschädigte mich dafür, dass ich wegen des Krieges meine Ausbildung abgebrochen hatte. Die erfolgreichen Nachkriegsjahre hatten begonnen.
    Zuhause war ich weniger glücklich. Irenes Lebhaftigkeit hätte mir vielleicht vor dem Krieg gefallen, aber ich bemerkte rasch, dass ich mich verändert hatte. Wir passten nicht gut zusammen. Tagsüber arbeitete ich und hatte Erfolg, doch in den Nächten litt ich noch immer entsetzlich. In diesen schwierigen Jahren senkten sich die Albträume, die in den Stunden der Dunkelheit über mir geschwebt hatten, wie eine dichte, giftige Wolke auf mich herab.
    Ich konnte weder mit Irene noch mit sonst jemandem darüber sprechen. Sie konnte es nie verstehen; damals verstand es keiner. Sobald mein Kopf das Kissen berührte, kehrten die Gespenster zurück. Bald fürchtete ich mich vor dem Schlaf. Der Junge, der totgeschlagen wurde, als er strammstand, war nicht der Einzige, der mich heimsuchte. Ich sah die Gesichter anderer geschundener jüdischer Häftlinge – Bilder ohne jeden Zusammenhang, die mir drohend vor Augen standen und zerschmolzen. In den Nächten stieg ich unzählige Male zum Wachbewusstsein empor wie ein Taucher, der aus einer Unterwasserhöhle an die Oberfläche kommt, verwirrt und verzweifelt nach Atem ringend. Jedes Mal raste mein Herz, und ich war in Schweiß gebadet.
    Es gab keine Stelle, an die man sich um Hilfe hätte wenden können. Damals hätte ich ohnehin nicht zugegeben, dass ich Hilfe brauchte. Das tat keiner von uns. Meine arme Frau konnte es nicht begreifen. Niemand hatte sie oder mich auf so etwas vorbereitet, und ich mutete ihr viel zu.
    Die Erinnerung an Les’ Tod verfolgte mich nie, auch nicht das andere Sterben, das ich gesehen hatte. Ich träumte nicht von dem Italiener, den ich in der Wüste mit dem Messer getötet hatte, auch wenn das Gefühl stets bei mir war. Ich träumte immer nur von den jüdischen KZ -Häftlingen. Diese Erinnerungen überlagerten alles.
    Noch schlimmer – ich träumte von den Stunden in Auschwitz III . Die widerlichen Gerüche füllten das Schlafzimmer. Ich hörte das unablässige Stimmengemurmel in der Nacht und spürte unter mir wieder die harte Pritsche. Ich hielt mich versteckt an diesem finsteren, entsetzlichen Ort, von dem es kein Entkommen gab. Ich wusste, dass der kleinste Laut mich verraten würde. Ich konnte mich nicht bewegen, konnte kaum atmen, musste mucksmäuschenstill sein. Mein Leben hing davon ab.
    Ich hatte diesen Traum schon vorher gehabt, aber diesmal war er noch furchteinflößender. Meine Entdeckung stand unmittelbar bevor, und nur Stille, absolute Stille, konnte die Katastrophe verhindern. Als der Traum seinen schrecklichen

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