Der Mann, der ins KZ einbrach
Menschheitsgeschichte miterlebt und waren nach Hause gekommen, ohne dass wir etwas gehabt hatten, worüber wir reden konnten – jedenfalls nichts, das jemand verstanden hätte.
Ich löste ein Versprechen ein, das ich mir selbst gegeben hatte, und schrieb die Erinnerungen an Auschwitz III nieder – die wenigen Namen, die mir im Gedächtnis geblieben waren, und Einzelheiten über die Bedingungen im Lager, die ich in Erfahrung gebracht und beobachtet hatte. Dann packte ich die Aufzeichnungen in eine alte Aktentasche aus Leder und versuchte sie zu vergessen. Ich wollte mir einreden, das alles sei vorüber.
Aber so war es nicht. Es geschahen Dinge, die ich mir nicht vollständig erklären konnte. Jane sah ich immer noch von Zeit zu Zeit. Ihr Mann war während des Krieges gestorben, und nun arbeitete sie als Sekretärin für einen amerikanischen Admiral, der in der US -Botschaft in London stationiert war. Außerdem spielte sie weiter Klavier. Die Freundschaft zwischen Jane und mir war von jeher feurig gewesen. Selbst vor dem Krieg hatten wir über viele Dinge gestritten, ohne dass es je unser Verhältnis getrübt hätte. Ich wurde eingeladen, mit ihr und einer großen Gruppe ihrer Freunde in London zu Abend zu essen. Es war ein angenehmer Abend. Nach dem Essen begab sich die Gesellschaft in Janes Wohnung in der Beaufort Street in Chelsea, wo die Unterhaltungen weitergeführt wurden. Zumindest glaube ich das. Ich weiß nicht mehr, was geschehen ist.
Irgendwie fand ich mich in einer Polizeiwache im East End am anderen Ende Londons wieder. Ich war benommen und verwirrt und hatte schreckliche Angst. Wie sich herausstellte, hatte ich drei Tage meines Lebens verloren. Man sagte mir, ich sei nicht betrunken gewesen, und soweit ich es sagen kann, hatte ich auch nicht das Bewusstsein verloren. Trotzdem wusste ich nicht mehr, was ich in dieser Zeit getan hatte.
Darüber hinaus hatte ich einen Stabswagen der US Army bei mir. Ich habe keine Ahnung, wie ich an das Fahrzeug gekommen bin. Ich nehme an, es gehörte einem von Janes Gästen. Wenigstens war der Wagen nicht beschädigt, sodass ich nichts ersetzen musste. Ich war besorgt, sehr besorgt, um mich und andere. Seitdem ich nach Hause gekommen war, war ich ein Nervenbündel. Wenn jemand mich überraschte oder am Rücken berührte, fuhr ich kampfbereit herum. Ich wurde reizbar. Ich hatte so lange jenseits der Regeln gelebt, dass alles möglich war. Wenn ich während dieser fehlenden drei Tage in Schwierigkeiten geraten bin oder jemanden verletzt habe, wusste und weiß ich es nicht mehr. Der Verlust der Erinnerung machte mir Angst.
Deshalb stellte ich mich der Polizei und gab zu Protokoll, was meiner Meinung nach geschehen war. Die ganze Sache war ein bisschen albern. Sie wussten nicht, was sie mit mir anstellen sollten. Sie überprüften, ob ich der Beschreibung einer Person entsprach, die vermisst oder nach der gefahndet wurde. Ich nehme an, zu der Zeit hatten sie öfters mit dem seltsamen Benehmen von Kriegsheimkehrern zu tun. Ich ließ den Stabswagen bei der Polizei und ging ernüchtert und erschüttert nach Hause.
Anfang 1946 wurde ich demobilisiert. Ich kehrte heim ins Dorf, nur um wieder mit den gleichen sinnlosen Fragen über den Krieg behelligt zu werden. Ich konnte den Leuten nicht geben, wonach es sie verlangte. Die Menschen waren von den merkwürdigsten Dingen fasziniert, zum Beispiel von dem Baseballschläger, der vom Himmel gefallen war. Ich ließ ihn bei offenem Verdeck auf dem Rücksitz meines Wagens, als ich in Leytonstone Lebensmittel einkaufen ging. Als ich zurückkam, hatte jemand den Schläger gemopst. Ich hatte immer mit dem Gedanken gespielt, eines Tages herauszufinden, wer der Eigentümer gewesen war, und ihn der Familie zurückzugeben. Aber ich konnte nicht mehr klar denken. Der Schläger hatte es überstanden, aber sein Eigentümer war mit Sicherheit tot. Seinen Hinterbliebenen hätte der Schläger kaum Trost gespendet.
Nur wenige meiner Freunde waren nach dem Krieg ins Dorf zurückgekehrt, und an diesem vertrauten Ort empfand ich die Einsamkeit umso stärker. Die Unschuld und die Lebensfreude, die ich früher dort empfunden hatte, gab es nicht mehr. Bevor ich in den Krieg gezogen war, hatte mein Tag nie genügend Stunden gehabt. Das Leben hatte Schwung besessen. Jetzt war es leer. Ich war ruhelos und fühlte mich zugleich zunehmend schwächer. Ich litt immer öfter unter Magenkrämpfen. Irgendetwas stimmte nicht, aber ich war mir nicht
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