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Der Mann, der ins KZ einbrach

Der Mann, der ins KZ einbrach

Titel: Der Mann, der ins KZ einbrach Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Rob Broomby Denis Avey
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bei meiner Suche nach dem Adrenalinstoß, der einem zeigt, dass man noch lebt, auf den Autorennsport. Ich trat einem Club bei, der sich auf der Rennstrecke von Oulton Park traf, und wir fuhren mit unseren aufgemotzten Jaguars regelmäßig Rennen. Ich spürte wieder das Leben. Ich bin immer schnell gefahren, auch auf normalen Straßen und bei jedem Wetter, wie ich gestehen muss. Das normale Leben erschien mir behäbig, alltäglich. Ich brauchte einen Kick. Er half mir, die Erinnerungen zu überwinden.
    Die Jahre vergingen, und als meine beruflich bedingten Auslandsreisen häufiger wurden, zog es mich nach Spanien. Viermal rannte ich während der Sanfermines mit den Stieren durch die Straßen von Pamplona. Ich gab mich ganz dem Geist dieses Festes hin und zog mir ein weißes Hemd und eine weiße Hose an, dazu das traditionelle rote Halstuch und die rote Schärpe. Ich bin schon immer ein schrecklicher Angeber gewesen, aber es war ein großartiger Nervenkitzel. Ich habe auch im Roten Meer getaucht, lange bevor es in Mode kam.
    Nicht alles, was ich tat, war so riskant. Ich fing wieder zu reiten an, kaufte mir vier Pferde und nahm regelmäßig an Military-Wettbewerben teil, meisterte Dressurreiten, Springreiten und Cross-Country. Ich nahm sogar an mehreren Reitsafaris in Afrika teil. Ich hatte nach dem Krieg ein gutes Leben. Ich hätte nicht mehr hineinpressen können. Während dieser Jahre kam ich kein einziges Mal auf den Gedanken, ich könnte mich vor etwas verstecken. Ich glaubte, ich hätte Auschwitz überwunden und begraben, hätte es endlich hinter mir gelassen.
    Aber in Wirklichkeit war es die ganze Zeit bei mir.
    Ich konnte nie mit dem Rücken zu einer Tür sitzen; das kann ich heute noch nicht. Ich bin immer hellwach und sprungbereit. Ich hasse es zu frieren oder Essen zu verschwenden. Das rührt von jenen Jahren her. Die Albträume waren nicht mehr so extrem und suchten mich nicht mehr regelmäßig heim, aber ganz verschwunden waren sie nicht.
    Nach außen hin lief alles gut. Ich hatte ein geräumiges Haus in Bramhall, Cheshire, mit einem großen Garten und tausend Rosen auf den Blumenbeeten, aber zu Hause war ich nie richtig glücklich. Irene und ich hatten nur wenige gemeinsame Interessen. Ich schätzte sie, aber wir passten nicht zusammen. Wir schufen uns getrennte Freundeskreise und entfremdeten uns immer mehr, und schließlich ließen wir uns scheiden.
     

     
    Mein Vater starb 1960. Sein ganzer Stolz war eine riesige Bibliothek schöner ledergebundener Bücher zu jedem erdenklichen Thema, die er im Laufe der Jahrzehnte gesammelt hatte. Ich konnte sie nicht mit nach Manchester nehmen; damals war das eine ernsthafte Reise, und ich hatte sowieso keinen Platz für die vielen Bücher. Ungefähr eine Woche später kamen zwei Cockney sprechende Händler zu dem Haus in Essex. Sie wollten ein Angebot für den Hausrat machen.
    Sie schnüffelten herum, bespöttelten seine Büchersammlung und machten ein lächerliches Angebot dafür. Da reichte es mir. Ich warf die Kerle hinaus. In gebührendem Abstand vom Haus häufte ich die Bücher im Garten auf und verbrannte sie zusammen mit seinem erlesenen Mahagonischreibtisch. Die Bücher gehörten meinem Vater, und sie gehörten hierher, wo sie immer gewesen waren. Niemand anders sollte sie haben. Das Feuer brannte drei Tage und drei Nächte lang. Im letzten Moment zog ich einen einzelnen Band aus den Flammen und warf ihn in den Kofferraum meines Wagens. Dann fuhr ich nach Hause.
    Ungefähr zu der Zeit brach jemand bei uns ein. Viele Wertsachen wurden gestohlen. Tischuhren, Armbanduhren und Silbergeschirr, aber auch der alte Lederkoffer mit meinen Aufzeichnungen über Auschwitz. An sie hatte ich jahrelang nicht gedacht und sie nie wieder durchgelesen, nachdem ich sie geschrieben hatte. Der Koffer war schwer und stets abgeschlossen, sodass er wichtig aussah, doch sein Inhalt hatte für niemanden außer mir einen Wert. Damals war ich zu entsetzt über den Verlust der teuren Stücke, als dass ich an den abgewetzten Koffer und meine handschriftlichen Aufzeichnungen gedacht hätte.
    Als Chefingenieur hatte ich in der Firma großen Einfluss, und als sie 1961 verkauft wurde, wollten die neuen Bosse bei Venesta mich loswerden. Ich lehnte ein Angebot in London ab und wurde stattdessen Firmeningenieur bei der Cheshire Sterilised Milk Company. Ich holte die verlorenen Jahre nach. Ich hatte eine andere Möglichkeit gefunden, die Zügel in der Hand zu halten, egal, was in meinem Inneren

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