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Der Mann, der ins KZ einbrach

Der Mann, der ins KZ einbrach

Titel: Der Mann, der ins KZ einbrach Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Rob Broomby Denis Avey
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Nachdenken fand. Er wollte nichts überstürzen.
    Sie fuhren in der Gegend herum, um die Zeit totzuschlagen, und setzten sich in ein arabisches Café mit zerkratzten Resopaltischen. Sie bestellten Falafel mit Salat, und Rob trank starken Tee. Er konnte es kaum erwarten, Susanne zu treffen, sodass es ihm schwerfiel, still zu sitzen. Patrick, solide und verlässlich, versuchte sich einzureden, es sei nur eine Reportage wie jede andere. Indem er seine Erwartungen herunterschraubte, vermied er eine mögliche Enttäuschung. Er fragte sich, ob er das Treffen filmen sollte. Oder würde eine Kamera eine ältere Dame, die noch gar nicht wusste, um was es ging, nur ängstigen?
    Beide trauten ihrem Glück nicht so recht. Rob sagte: »Ich glaube, wir haben es geknackt. Glaubst du auch, wir haben es geknackt?«
    Patrick, der bis vor kurzem als Produzent in Bagdad gearbeitet hatte, hütete sich vor verfrühter Begeisterung. In seinem weichen Blackburn-Dialekt erwiderte er: »Schau’n wir mal.«
    Schließlich fuhren sie in eine stille Wohngegend mit kleinen Gärtchen. Und da war sie: Eine zierliche Rentnerin mit gepflegtem weißem Haar und offenem Gesicht kam den Weg vom Haus herunter. Rob hantierte an seiner Ausrüstung und hoffte, die Begrüßung filmen zu können, sagte sich dann aber, dass dieser Augenblick zu kostbar sei.
    »Ich kann Ihnen gar nicht sagen, wie froh wir sind, Sie gefunden zu haben«, sagte Rob, als er und Patrick sich im Haus aufs Sofa gesetzt hatten.
    Ich glaube nicht, dass er damit gerechnet hatte, Susanne am Ende doch noch zu finden, aber er hatte nie aufgegeben. Der Telefonanruf hatte Susanne völlig überrascht, aber da ihr nicht viel Zeit geblieben war, sich Gedanken zu machen, hatte sie die Gelegenheit sofort beim Schopf gepackt. Tee wurde serviert, und Susanne erzählte ihre Geschichte.
    Sie war 1923 in Breslau geboren, einer schönen mittelalterlichen Stadt, die damals zu Deutschland gehört hatte. Ursprünglich hatte sie Susanne Lobethal geheißen und im Haus Goethestraße 45 – 47 gewohnt.
    Die Lobethals waren eine angesehene jüdische Familie gewesen. Dann aber hatte Susannes Vater die Familie verlassen, und die Zeiten wurden hart. Kurz vor Ausbruch des Krieges hatte Susanne einen Platz auf dem Kindertransport nach England bekommen, doch Ernst war dieses Glück nicht beschieden gewesen. Er blieb in Deutschland und wurde im Januar 1943 nach Auschwitz deportiert.
    Rob und Patrick erfuhren, weshalb Susanne so schwer zu finden gewesen war. Wie sich herausstellte, hatte sie nie den Namen Cottrell angenommen. Da war ich einem Irrtum aufgesessen. Zwar hatte sie Ida Cottrell, die Frau, von der sie aufgenommen worden war, als Mutterfigur betrachtet, doch nach dem Krieg hatte sie die britische Staatsbürgerschaft erhalten und ihren Nachnamen zu Bethal verkürzt. Dieser Name war während der Nachforschungen nie aufgetaucht. Ein wichtiges Verbindungsglied hatte gefehlt. Ohne den Hinweis der Warwicks, Susanne habe nach ihrer Heirat James geheißen, hätten wir sie nie gefunden. Außerdem war ihr erster Mann 1994 gestorben, und nach ihrer zweiten Heirat hatte sie ihren Namen erneut geändert. Ihr zweiter Mann, Richard, der leider ein Jahr später starb, saß in seinem Sessel bei ihnen, freute sich über die Gesellschaft und amüsierte sich über die Aufregung.
    Susanne ließ sich nicht zu einem Fernsehinterview überreden. Dazu war sie am Ende doch zu schüchtern.
    »Ach, ich sehe auf Bildern immer schrecklich aus«, sagte sie. Das stimmt nicht. Sie ist eine Großmutter, wie sie im Buche steht.
    Sie bestätigte, worauf Rob und Patrick bisher nur gehofft hatten. Wider alle Wahrscheinlichkeit hatte ihr Bruder Auschwitz und den Todesmarsch überlebt. »Ernie«, wie sie ihn nun nannte, hatte schreckliche Entbehrungen durchlitten. Nach dem Krieg hatten sie einander viele Jahre lang nicht gesehen und auch danach nur sehr selten. Ernst nahm die amerikanische Staatsbürgerschaft an. Genau wie Susanne verkürzte er seinen Familiennamen, doch während sie sich Bethal nannte, wurde er zu Ernie Lobet.
    Susanne erinnerte sich an den Brief und die Zigaretten, die sie während des Krieges nach Auschwitz in die Ungewissheit geschickt hatte, kannte aber nur noch wenige Einzelheiten.
    Sie wusste, dass die Zigaretten ihrem Bruder beim Überleben geholfen hatten, aber wie genau, konnte sie nicht sagen. Allerdings erinnerte sie sich an einen hochgewachsenen britischen Soldaten, der sie 1945 aufgesucht hatte, um ihr zu sagen, die

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