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Der Mann, der ins KZ einbrach

Der Mann, der ins KZ einbrach

Titel: Der Mann, der ins KZ einbrach Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Rob Broomby Denis Avey
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gab mir eine zerbeulte Blechtasse mit Wasser, das erste Trinkbare seit mindestens vierundzwanzig Stunden. Ich trank gierig, und der alte Mann füllte den Becher nach. Erst jetzt bemerkte ich den erdigen Geschmack des Wassers, aber ich leerte den zweiten Becher genauso schnell. Der Alte stand da, den Blick auf mich gerichtet. »Essen?«, fragte ich und führte eine Hand zum Mund. »Nahrung?« Er suchte im Dunkeln herum; dann reichte er mir eine Handvoll Rosinen. Der intensive Geschmack stach mir in den Rachen. Nachdem ich etwas Brot gegessen und noch mehr Wasser getrunken hatte, warf ich mich in die Ecke und schlief.
    Als ich erwachte, fühlte ich mich groggy. Der Alte war noch da. Er brachte mir Eier und einen Kuchen mit Trockenobst. Ich nickte dankbar, worauf er sich zurückzog und mir beim Essen zuschaute. Nach dem Hundekuchen auf dem Schiff war es ein Festmahl. Als ich fragte, wo ich sei, musterte er mich mit leerem Blick und sagte erneut irgendetwas, das ich nicht verstand. Mir kam eine Idee. Ich nahm einen Stock und zeichnete den ungefähren Umriss Griechenlands auf die festgestampfte Erde. Der Mann starrte verwirrter denn je auf meine Kritzelei, bis ich den unverkennbaren Stiefel Italiens links daneben malte. Plötzlich wurde der Alte lebhaft und stieß eine Salve von Wörtern hervor, die er mehrmals wiederholte. Er nahm den Stock und zeigte mit Nachdruck auf die drei Finger, die ich gezeichnet hatte, um Südgriechenland darzustellen. Dort also war ich. Die heftige Reaktion des Alten verriet mir, dass er die Italiener hasste, die sein Heimatland besetzt hatten.
    Dank gutem Essen und viel Ruhe kam ich wieder auf die Beine. Ich weiß nicht, wie lange er mich beherbergte, aber ich konnte nicht für immer bei dem Alten bleiben. Wenn er mit mir erwischt wurde, stellten die Italiener ihn an die Wand, so viel war klar. Außerdem wusste ich nicht genau, inwieweit ich ihm trauen konnte, auch wenn meine Zweifel mir rückblickend ungerecht erscheinen. Jedenfalls, ich wollte weiter.
    Er schenkte mir ein Paar alte Segeltuchsandalen, die ich mit einem Stück Schnur an meinen nackten Füßen festband, und reichte mir ein grobes Hemd, das ich unter meiner Uniformjacke trug. Meine Uniform wollte ich unbedingt behalten. Ich kannte zwar das Risiko, aber wenn ich in Zivilkleidung aufgegriffen wurde, konnte ich als Spion erschossen werden. Ich bin mir sicher, dass der Alte froh war, als ich ging.
     

     
    Die Reise war einsam, und ich musste außer Sicht bleiben, denn die Ölflecke auf meiner Uniform hätten Aufmerksamkeit erregt. Außerdem kannte ich die Geographie Südgriechenlands kaum und hatte keine Vorstellung, was vor mir lag. Meine Uhr hatte das Wasser überstanden, und ich benutzte sie, um mich in Richtung Norden zu orientieren. Ich mied die Straßen, überquerte bewaldete Hügel und ging durch Olivenhaine. Ich hielt mich von Ortschaften fern und trank Wasser aus Bächen und Rinnsalen, wo immer ich sie fand. Ich war schwach und lethargisch, aber ich zwang mich, weiterzugehen. Bald war ich über den Punkt hinaus, an dem der Hunger schmerzte, und ich wusste, dass ich mir mein Essen stehlen musste, denn jeder Kontakt zur Bevölkerung war gefährlich. Wer mir half, konnte erschossen werden. Für alle Beteiligten war es die beste Lösung, wenn ich zum Dieb wurde.
    Am Tag arbeiteten die Menschen zumeist im Freien, oft in einiger Entfernung von ihren Hütten. Einzubrechen war leicht; es erinnerte ein wenig an die Spähtruppeinsätze in der Wüste: Man musste einen guten Sichtpunkt finden, sich tarnen und beobachten. Sobald ich wusste, dass es ungefährlich war, ging ich hinein, aber viel war nicht zu finden. Die Menschen waren arm und litten unter der italienischen Besatzung. Ich ging nie mit vollem Bauch, aber einmal fand ich einen Kuchen mit Trockenobst wie der, den der alte Knabe mir gegeben hatte.
    Als mir klar geworden war, dass ich mich in Griechenland befand, hatte ich die Hoffnung gehegt, eine Zeitlang in Freiheit bleiben zu können, aber das gesamte besetzte Europa zu durchqueren und es bis nach Hause zu schaffen, konnte ich mir kaum vorstellen. Während die Tage vergingen, wurde ich schwächer. Noch immer mit Öl beschmiert und nun auch mit Sand und Staub verkrustet, taumelte ich in eine kleine Gruppe Männer und Frauen, die auf einem Feld arbeiteten. Ich machte ihnen mehr Angst als sie mir. Ich bat um Wasser. Sie verstanden und reichten mir einen langen Beutel. Ich trank, so viel ich konnte, und marschierte rasch

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