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Der Mann, der ins KZ einbrach

Der Mann, der ins KZ einbrach

Titel: Der Mann, der ins KZ einbrach Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Rob Broomby Denis Avey
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jeder kämpfte für seine eigene Rettung. Es war hässlich, aber ich würde das Gleiche tun müssen.
    Ich konnte noch immer den Himmel sehen. Ein dünnes Seil, das eine Ecke der Persenning über dem Luk gehalten hatte, hing nun in den Laderaum hinunter. Ich packte es und stellte fest, dass es irgendwo über mir festgemacht war. Trotz meiner Armwunde zog ich mich Hand über Hand an dem Seil hoch und klemmte es zwischen den Füßen ein, um meine Arme zu entlasten. Als Kind hatte ich so etwas oft geübt. Ich erreichte das obere Ende des Seils, packte die herunterhängende Ecke der Persenning und zog mich daran hoch, bis ich den Lukenrand packen und meine Beine über die Kante schwingen konnte. Das Schiff war in Seenot. Der Bug lag tiefer als das Heck. Ich dachte keine Sekunde lang nach. Das Meer war ruhig; deshalb riss ich mir die Stiefel von den Füßen und sprang. Als ich das gedämpfte Geräusch von Wasser hörte, das in meinen Ohren zischte und knackte, verlangsamte sich die Zeit für einige Sekunden. Im Laderaum saßen noch viele Männer fest. Ich wusste, dass sie vielleicht nie mehr herauskommen würden und dass diejenigen, die den Einschlägen näher gewesen waren, schon nicht mehr lebten.
    Ich tauchte auf und durchstieß dabei eine dicke Schicht aus Öl, das an meinem Gesicht und in den Haaren kleben blieb. Ich durfte das Zeug nicht in die Lunge bekommen. Es war dunkel und schwer, und es fühlte sich an, als wollte es mich auf den Meeresgrund ziehen. Es war nur eine Frage der Zeit, bis das Schiff mit Mann und Maus unterging. Ich wusste, dass ich vom Schiff wegschwimmen musste, wollte ich nicht in die Tiefe gerissen werden, also trat ich mit aller Kraft Wasser, und es gelang mir tatsächlich, durch das Öl zu kraulen.
    Doch die Gefahr war längst nicht gebannt. Im Wasser waren noch mehr Männer. Einige schlugen hilflos um sich. Ein schnelles Boot, eine Art kleiner Zerstörer, preschte fast augenblicklich zwischen uns, doch er war nicht gekommen, um uns zu retten. Es war ein italienischer U-Boot-Jäger. Ich wusste nun, dass keine Minen explodiert waren, sondern Torpedos. Wir waren von einem alliierten U-Boot torpediert worden, das noch irgendwo unter mir durch die Tiefe kreuzte. Der U-Boot-Jäger machte weite Sichelschnitte durch die Überlebenden, peitschte hin und her in dem Versuch, das U-Boot zu finden, und ragte über uns auf wie eine Klippe aus grau gestrichenem Stahl. Einige Männer im Wasser reagierten panisch.
    Ich hörte deutsche und italienische Rufe, aber jeder, der dem U-Boot-Jäger im Weg war, wurde unter Wasser gedrückt oder von den Schiffsschrauben zerfetzt. Dann fielen die Wasserbomben. Nach kurzer Stille drangen ein gedämpfter Knall und eine Druckwelle aus der Tiefe, die sich anfühlte wie ein Hammerschlag gegen die Brust. Sie jagte eine Wassersäule in die Höhe und wühlte die See ringsum weiß auf. Ich war hundert Meter entfernt und spürte es dennoch am ganzen Leib. Wieder gab es einen Knall, dem weitere folgten, bis der U-Boot-Jäger sich nach einer letzten Durchfahrt schließlich an den Horizont zurückzog.
    Wir waren allein. Das Licht wurde rasch schwächer. Aus der Meereshöhe war das getroffene Schiff nicht zu sehen. Wahrscheinlich lag es gefährlich tief im Wasser, und ein Teil der Decksladung war in die Fluten geschleudert worden. Ich bin immer davon ausgegangen, dass es gesunken ist.
    Ich entdeckte eine große Holzkiste, die im Wasser trieb, und schwamm durch das Öl zu ihr. Es dauerte eine scheinbare Ewigkeit. Als ich die Kiste erreichte, klammerten sich bereits mehrere Italiener daran fest. Durch ein Loch in einer Ecke konnte ich sehen, dass sie leer war. Diese knarrende Kiste war das einzige Rettungsfloß, das wir hatten. Allmählich kam ich wieder zu Atem. Ich erkannte, dass ich etwas unternehmen musste, sonst würde ich im winterlichen Mittelmeer ertrinken. Also versuchte ich, die glitschigen Latten zu packen. Nachdem ich mehrmals zurückgerutscht war, konnte ich mich endlich auf die Kiste ziehen und war ganz aus dem Wasser. Ich musste gegen niemanden kämpfen, aber wenn jemand versucht hätte, mich herunterzuziehen, hätte ich mich vehement gewehrt. Wenn man wirklich entschlossen ist, kann man so etwas schaffen. Aber das Schwimmen und Klettern hatte mich unglaublich viel Kraft gekostet, und als ich auf der Kiste lag, war ich ausgepumpt und lag erschöpft auf dem Bauch.
    Ich bemerkte, dass die Kiste zerbrechlich war und in den Wellen, die nun aufgepeitscht wurden, vielleicht

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