Der Mann, der ins KZ einbrach
wurden wir in ein richtiges Lager verlegt.
Das Lager bestand aus langen Stein- und Betonbaracken, die in fünf Säle mit Holzpritschen für je ungefähr fünfzig Mann unterteilt waren. Wir erhielten jeder zwei warme Decken und einen dünnen Strohsack als Matratze. Das Lager hieß »Campo Concentramento Prigioniero di Guerra, Sessantacinque«. Für uns war es das Kriegsgefangenenlager PG 65. Es lag in der Nähe von Altamura in Süditalien.
Einer der italienischen Offiziere war ein Maggiore, ein Major, der aussah wie James Cagney. Er war ein anständiger Kerl und hat gegrinst wie ein Schneekönig, als wir es ihm einmal sagten. Wir wurden nicht zur Arbeit gezwungen, und es gab keine Brutalität, aber der extreme Essensmangel machte das Lager dennoch zu einem entsetzlichen Ort.
Wir hatten ein Küchengebäude, das außerhalb der Baracke lag, und die Italiener brachten Bäume ins Lager, damit die Kochfeuer in Gang gehalten werden konnten. Einer der Jungs, der noch bei Kräften war, hackte sie klein. Wahrscheinlich bekam er dafür Sonderrationen. Ein riesiger Kochtopf wurde auf die Flammen gesetzt, und hinein kam, was immer es gab, und normalerweise gab es nichts außer Makkaroni. Wenn die Suppe fertig war, wurde sie in Aluminiumbehältern, die fünfzig Liter fassten, durchs Lager gefahren und ausgegeben. Jeder bekam am Tag nur eine Kelle dünner Flüssigkeit. Anfangs gab es ein kleines Stück Brot dazu, das aber bald auf die halbe Größe schrumpfte. Zum Frühstück gab es noch einen Schluck Ersatzkaffee, und das war es. Ich spürte, wie mein Körper verfiel. Keiner von uns war bei guter Gesundheit ins Lager gekommen.
Die Läuse in unseren Klamotten wurden satter als wir. Wenn ich mein Hemd auszog, konnte ich hundert von ihnen zwischen den Fingern zerquetschen. Nach einer halben Stunde waren hundert neue da. Sie trieben einen in den Wahnsinn.
Bald nach unserer Ankunft mussten wir in einer Reihe antreten und wurden gefragt, was wir im Zivilberuf taten. Das Englisch des Dolmetschers war nicht besonders, und ich blieb misstrauisch; deshalb behauptete ich, ich sei ein Fassadenkletterer. Der Dolmetscher sah von seiner Liste auf, sichtlich verwirrt.
»Was sind Sie?«
»Fassadenkletterer«, wiederholte ich.
»Wasadenklettrer?«, fragte er und blickte fragend auf seinen Vorgesetzten, was der davon hielt. Der Vorgesetzte ließ sich nichts anmerken. Der Dolmetscher schrieb etwas auf und ging zum Nächsten.
Als die ersten Rotkreuzpakete eintrafen, wähnten wir uns im siebten Himmel, auch wenn wir jedes Paket unter vielen Männern aufteilen mussten. In den Paketen entdeckten wir Dosen mit KLIM – Milchpulver, dessen Name rückwärts gelesen »Milk« ergab –, kleine Büchsen Kaffee oder Tee, Dosen mit Obst oder Käse, Schokolade, Zucker, Rosinen und manchmal Trockenei.
Die Langeweile war erdrückend. Im Lager gab es keine militärische Disziplin. Wir waren uns selbst überlassen. Wir hatten nichts, um Brot zu schneiden, aber wir hatten winzige Spiegel aus Metall, und ich fand eine Möglichkeit, sie zu zerteilen und Klingen daraus zu fertigen. Ich montierte Holzgriffe daran, sodass brauchbare Brotmesser entstanden, und tauschte sie gegen Essen. Das Leben im Lager beruhte auf Tauschhandel. Man brauchte etwas, womit man feilschen konnte. Als die Monate vergingen, machte ich mich daran, eine Art Mini-Koffer aus flach geklopften KLIM -Behältern herzustellen. Gott allein weiß, wieso. Ich hatte kaum etwas, was ich hineinlegen konnte, und der Koffer hatte auch nichts mit irgendeinem wagemutigen Fluchtplan zu tun. Ich klopfte die Dosen platt; dann falzte ich ihre Kanten und hakte sie ineinander, sodass ein größeres Blech entstand, das ich zurechtbiegen konnte. Die Arbeit half mir, die langen Tage zu überstehen, und zum Schluss kam eine Art Blechdose dabei heraus.
Wir bekamen zwar Tee und Kaffee vom Roten Kreuz, aber wir hatten keine Möglichkeit, Wasser zum Kochen zu bringen. Ich beschloss zu improvisieren und bastelte eine geschlossene Trommel mit rotierenden Lüfterschaufeln darin wie bei einem Hamsterrad. Mit einem Rohr verband ich die Trommel mit einer kleinen Blechdose voll Kohle und zündete die Kohle an. Wenn ich nun den Lüfter ankurbelte, hatte ich einen Hochofen im Miniaturformat. Die Kohle glühte rot auf, und darüber konnte man eine Blechdose mit Wasser zum Kochen bringen. Ich war sehr stolz auf meine Konstruktion, die es uns erlaubte, endlich wieder heißen Tee zu trinken. Andere machten sich daran, das
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