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Der Mann, der ins KZ einbrach

Der Mann, der ins KZ einbrach

Titel: Der Mann, der ins KZ einbrach Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Rob Broomby Denis Avey
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Gerät nachzubauen und zu perfektionieren, und es war ein großer Erfolg.
    Heute vermute ich, dass den Italienern schlichtweg die Nahrungsmittel fehlten, um uns anständig zu verpflegen. Die einfachen Soldaten, die als Wachtposten eingesetzt wurden, bekamen nur wenig mehr zu essen als wir. Wir trockneten unsere gebrauchten Teeblätter und konnten sie bei den Männern gegen andere Dinge eintauschen.
    Ich litt noch immer unter der Schmach, in Gefangenschaft geraten zu sein. Ich traute kaum jemandem und hielt mich weitgehend abseits. An ein paar Gefangene erinnere ich mich allerdings noch. Da war ein Cockney namens Partridge, der anderen Gefangenen Gefälligkeiten erwies, ohne etwas dafür zu verlangen. Ein anderer, er hieß Bouchard, war ausgemergelt und erschreckend dünn. Er verbrachte die ganze Zeit damit, das Lager auf der Suche nach Essbarem zu durchstreifen. Wir unterhielten uns manchmal, sprachen aber nie über unser Zuhause. Warum sollten wir uns quälen?
    Später hörte ich, dass aus den anderen Lagern Gefangene zur Entlausung nach draußen gebracht und dann von Zivilisten bespuckt und misshandelt wurden. Wir blieben, wo wir waren. Hin und wieder kam ein katholischer Pfarrer und las für die Frommen unter uns eine Messe. Aber selbst das geschah durch den Zaun hindurch. Ins Lager kam der Priester nie.
    Wir versuchten auf jede erdenkliche Weise, die Monotonie zu durchbrechen. Wenn jemand etwas zu sagen wusste, zu welchem Thema auch immer, konnte er den Worten freien Lauf lassen. Die Themen reichten von Geschichte und Erdkunde bis hin zu Ingenieurswissenschaft. Einer redete stundenlang über seine Drehbank und die Grundlagen des Drechselns von Holz, des Drehens von Metall und des Gewindeschneidens.
    Nach einiger Zeit wurden zusätzliche Hütten errichtet, denn das Lager war bereits überfüllt und musste erweitert werden. In Italien gab es normalerweise keine Zwangsarbeit; deshalb bot man uns 150 Gramm Brot mehr am Tag, wenn wir bei den Bauarbeiten halfen. Wir nahmen das Angebot sofort an. Die Verpflegungslage war ernst.
     

     
    Die Hütten sollten außerhalb des Zaunes errichtet werden. Man wollte sie erst fertigstellen und dann den Stacheldrahtzaun um sie herum erweitern. Sich endlich einmal außerhalb des Zaunes bewegen zu dürfen, war ein unglaubliches Gefühl für uns. Vielleicht fanden wir Lebensmittel, die wir uns unter den Nagel reißen konnten, oder eine Gelegenheit zur Flucht.
    Ich war einer von sechs Mann, die auf das Dach geschickt wurden, um die Ziegel mit Beton zu befestigen. Auf diese Weise erhielt ich einen ersten Blick auf die Umgebung. Nur ein einziger Posten bewachte uns, und er stand unten. Mein Magen schmerzte vor Hunger. Auf der Flucht konnte es nicht schlimmer sein. Ich entschloss mich zu handeln und fragte den Posten, ob ich herunterkommen dürfe, um mich zu erleichtern. Widerwillig stimmte er zu.
    Ich wusste genau, dass er uns nicht alle gleichzeitig im Auge behalten konnte. Kaum war ich außer Sicht, verschwendete ich keine Sekunde und rannte los, so schnell ich konnte.
    Ich rechnete damit, dass jeden Augenblick hinter mir Geschrei losbrach, aber nichts geschah, und ich konnte einige Entfernung zwischen mich und das Lager bringen, ehe ich mich ausruhte. Ich weiß nicht, wann der Posten Alarm schlug, aber ich war zu dem Zeitpunkt schon weit weg.
    Ich hatte ein Stück Brot und ein wenig Käse dabei. Das war die einzige Vorbereitung, die ich getroffen hatte. Ich beschloss, die Küste zu meiden und nach Norden zu gehen, bis ich die neutrale Schweiz erreichte. Ich versuchte es optimistisch zu sehen: Von hier aus war die Wahrscheinlichkeit, dass ich es bis nach Hause schaffte, größer als von Griechenland aus. Dennoch musste ich Hunderte von Kilometern Feindesland durchqueren.
     

     
    Unterwegs folgte ich dem altbewährten Muster: Ich wich Straßen und größeren Ortschaften aus und stahl mir mein Essen auf abgelegenen Bauernhöfen. So wurde ich zwar nicht gefasst, bekam aber auch nicht gerade viel zwischen die Zähne. Das Beste, was ich ergatterte, war hin und wieder zweifelhaft aussehendes Gemüse und etwas, das ein wenig nach Anis schmeckte und wahrscheinlich Fenchel war. Seitdem habe ich keinen Fenchel mehr essen können. In den nächsten drei oder vier Tagen legte ich zu Fuß eine große Strecke zurück, aber ich blieb hungrig und wurde schwächer. Ich kam über ein kleines Weizenfeld, doch das Getreide wurde bereits grau und verfaulte am Stängel. Italien war kein glückliches Land.

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