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Der Mann, der ins KZ einbrach

Der Mann, der ins KZ einbrach

Titel: Der Mann, der ins KZ einbrach Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Rob Broomby Denis Avey
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mit der Befragung. In gebrochenem Englisch wollte er wissen, ob ich hinter der »Sabotage« gesteckt habe. Hatte ich die Russen dazu aufgestachelt? Wer hatte den Befehl erteilt? Ich konnte nichts darauf antworten. Einen Plan hatte es nicht gegeben, nur einen erschöpften armen Kerl, der versucht hatte, seine kalten, wunden Füße zu schützen. Wenn ich irgendwelche Dummheiten vorhätte, sagte der Offizier, würde man mich erschießen. Ich glaubte ihm aufs Wort.
    Die Drohungen entmutigten mich; dennoch arbeitete in meinem Innern ein Motor, der noch nicht ganz zum Stillstand gekommen war. Ich wurde zu einem Zug gebracht und mit einer anderen Gruppe Gefangener eingeladen. Diesmal fuhren wir in normalen Passagierwaggons mit einem Gang auf der einen Seite und kleinen, einfachen Abteilen auf der anderen. Wohin es ging, wussten wir nicht. Ich bat darum, die Toilette benutzen zu dürfen, und stellte fest, dass sie sich am Ende des Waggons befand, in der Nähe einer unbewachten Tür. Der Posten stand zu weit entfernt. Ich kannte die anderen nicht, aber ich hatte eine Fluchtmöglichkeit für uns entdeckt. Als der Zug hielt, öffneten wir die Tür, sprangen auf die Gleise und rannten in die nahen Felder. Ungefähr ein Dutzend von uns kam heraus, ehe der Zug sich wieder in Bewegung setzte. Unsere Flucht war unkoordiniert, und wir trennten uns und rannten in sämtliche Richtungen davon.
    Ich war seelisch völlig ausgelaugt. Die Erschießung im Kohlebergwerk hatte ihren Tribut gefordert.
    Ich hätte die Lektion schon in Italien lernen sollen: Eine Flucht will vernünftig geplant sein. Wir trugen Uniform, und man sah auf einen Kilometer Entfernung, dass wir keine Deutschen waren. Ich weiß nicht, wie viele von uns gefasst wurden, aber ich blickte schon bald wieder in eine Waffenmündung. Zum Glück wurde nicht geschossen, aber meine Flucht war zu Ende, und ich wurde in einen Raum gebracht, verhört und ein wenig herumgestoßen. Danach brachte man mich in ein Lager, das Lamsdorf hieß, soviel ich weiß. Ich habe es nie genau erfahren. Jedenfalls war ich nun als ein gewohnheitsmäßiger Unruhestifter bekannt.
    Nach kurzer Zeit wurde ich ins das Straflager bei Graudenz in Nordpolen geschafft. Ich musste mich ausziehen, und ein Mann stäubte mich mit einem streng riechenden weißen Pulver ein. Besondere Aufmerksamkeit legte er auf die Stelle zwischen meinen Beinen und die Achselhöhlen. Mein Haar wurde kurz geschnitten, und ich wurde wie ein Verbrecher von vorn und von der Seite fotografiert. Um meinen Hals hing eine Tafel mit einer Nummer. Ich war Gefangener 220543.
    Man brachte mich in eine spartanische Baracke, in der schon drei Engländer und ein Schotte einsaßen. Sie waren raue Burschen mit geschorenen Köpfen und sahen aus, als verdienten sie es, dort zu sein. Wir hatten nicht viel gemeinsam. Man ließ uns zur Körperertüchtigung kurz auf einen kleinen Hof, der von hohen Mauern umschlossen war. Man konnte dort nichts tun, außer endlos im Kreis zu laufen. Ich hatte nicht viel zu sagen. Ich litt noch immer sehr unter der Erschießung in der Kohlengrube.
    In der Baracke gab es keine Matratzen, nur nackte Holzpritschen. Um zu schlafen, musste ich die Latten in der Mitte herausnehmen, damit meine knochigen Hüften Platz hatten, sonst ließ der Schmerz sich nicht ertragen. Die Holzfaserdecke war so dünn, dass ich hindurchsehen konnte. Als ich mich in der ersten Nacht einmal umdrehte, riss ich mit dem Ellbogen prompt ein Loch mitten hinein.
    Man führte mich in einen weiteren kahlen Raum, in dem zwei Offiziere an einem Tisch saßen. Als das Verhör begann, bauten sich die Bewacher links und rechts von mir auf. Ich blickte auf ihre schweren gewienerten Stiefel und hatte das Gefühl, ich würde gleich eine Abreibung bekommen, aber die Vernehmung lief ganz zivil ab. Ich war erleichtert. Die Deutschen glaubten noch immer, dass ich mit den Russen unter einer Decke steckte, aber meine Uniform verlieh mir einen gewissen Schutz, solange sie mir nichts beweisen konnten.
    Ich hörte von schrecklichen Dingen, die in anderen Teilen des großen Lagers vor sich gehen sollten, aber mir geschah nichts. Man hatte mich zur Strafe hierhergeschickt, aber wenigstens musste ich nicht mehr in der entsetzlichen Kohlengrube schuften. Nach ungefähr drei Wochen war ich wieder unterwegs. Diesmal fuhr ich mit dem Zug, bewacht von zwei Mann.

9. Kapitel
     
     
    D er Zug hielt an einem kleinen Bahnhof. Der Bahnsteig lag sehr tief, und ich musste mehrere Stufen

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