Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Der Mann, der ins KZ einbrach

Der Mann, der ins KZ einbrach

Titel: Der Mann, der ins KZ einbrach Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Rob Broomby Denis Avey
Vom Netzwerk:
kümmerten sich um ihn, während wir vorbeigeführt wurden. Die Wunde war hässlich, aber Franz – oder wer auch immer – hatte nicht mit voller Kraft zugestoßen. Heute bin ich mir ziemlich sicher, dass Campbell überlebt hat.
    Am 23. Februar 1944 arbeitete Corporal Reynolds vom Royal Army Service Corps an der Buna-Werk-Baustelle, als ihm befohlen wurde, an einer über zwanzig Meter hohen, vereisten Gerüstbrücke hochzuklettern. Reynolds weigerte sich und erklärte, ohne geeignetes Schuhwerk würde er in den Tod stürzen. Er wurde auf der Stelle erschossen. Die Schuld wurde einem Offizier namens Rittler gegeben; andere sagten, auch hier sei Benno Franz der Schuldige. Ich erinnere mich, an dem Tag einen Schuss gehört zu haben, aber ich schaute nicht nach, was los war; Schüsse waren nichts Ungewöhnliches. Diese Vorfälle machten die gute Stimmung zunichte, die sich bei uns eingestellt hatte.
    Ein paar Gefangene im Lager E715 gelangten irgendwann zu der Ansicht, man käme mit den Bedingungen am besten zurecht, wenn man die karge Freizeit mit kreativer Beschäftigung füllte. Sie versuchten mit Theateraufführungen die Stimmung in den Baracken zu heben und zu zeigen, dass wir noch nicht besiegt waren. Ein kluger Kopf hatte die Idee, »Sweeney Todd« aufzuführen, als bräuchten wir einen dämonischen Barbier, der unserem mondänen Leben zusätzliche Würze verlieh. Ständig starben Menschen um uns herum.
    Vielleicht hatte jemand eine subversive Allegorie im Sinn; ich weiß es nicht. Ich weiß nur noch, dass die deutschen Wächter kamen, um zu sehen, was wir vorhatten. Es gab noch andere Produktionen von zweifelhaftem Charakter, aber so etwas war nicht meine Art, mit der Wirklichkeit fertig zu werden. Wir waren Zeuge einer niemals endenden Abscheulichkeit, und ich wollte mich nicht davon ablenken lassen.
    Wenn es um Fußball ging, sah ich die Sache jedoch anders, und viele unserer Jungs sahen es genauso. Wir waren auch nur Menschen. Ein paar T-Shirts und Shorts kamen ins Lager, und jemand überlegte sich, ein internationales Turnier zu spielen. Die Mannschaften sollten England, Schottland, Wales und Südafrika sein, aber es gab nicht genügend Männer aus jeder Nation. Soweit ich mich erinnere, war Burt Cook der einzige Südafrikaner, der Fußball spielte; deshalb waren die Nationalitäten lediglich die Namen der Mannschaften. Ich spielte zweimal als Rechtsaußen für Südafrika und schoss ein Tor im Finale, das wir für uns entschieden.
    Die Spiele fanden auf einem Feld östlich vom Haupteingang statt. Ich nehme an, es waren Maschinengewehre aufgestellt für den Fall, dass wir zu übermutig wurden. Doug Bond, der Jahre später ein Freund von mir wurde, stand für England im Tor, aber damals kannte ich ihn nicht. Die Gelegenheit, Fußball zu spielen, wollte ich mir jedenfalls nicht entgehen lassen, und ob es richtig war oder nicht, ich genoss es.
    Wenn ich heute zurückschaue, muss ich gestehen, dass wir naiv waren. Nach dem Turnier stellten wir uns zu Mannschaftsfotos auf und blickten alle lächelnd und mit rosigen Gesichtern in die Linse. Heute glaube ich, dass wir Teil eines ausgeklügelten Propagandaschachzugs waren. Soweit ich mich erinnere, war der Fotograf ein Zivilist, und uns wurden später die Fotos ausgehändigt. Ungefähr zur gleichen Zeit bekamen wir frische Uniformen, die zwar nicht neu, aber besser waren als alles, was wir am Leib trugen. Viele von den Jungs mussten Aufstellung nehmen und wurden in ihren neuen Monturen fotografiert.
    Für die Deutschen war das ein Geschenk. Der Wehrmacht half es, sich von den Methoden abzugrenzen, die die SS den Juden gegenüber anwendete. Offenbar hatte jemand vorhergesehen, dass nach dem Krieg die eine oder andere Frage gestellt werden würde. Außerdem dürfte es den Lagerkommandanten geholfen haben, sich die Rotkreuzbeobachter vom Leib zu halten. Aber diese Leute erwiesen sich ohnehin als leichtgläubig. Einige ihrer Berichte über die Zustände in unserem Lager, die ich später las, hatten mit der Wahrheit wenig zu tun.
    In den Berichten hieß es, wir hätten Fußball spielen dürfen, wann immer genügend Wächter zugegen waren. Das ist völliger Unsinn. Ein anderer Rotkreuzbericht besagte, die Arbeit sei nicht anstrengend, und es gebe keinerlei Beschwerden. Außerdem hieß es, wir hätten fließend Warmwasser, und als wäre das noch nicht absurd genug, behaupteten Rotkreuzbeobachter, sie hätten Insassen unseres Lagers beim Tennisspiel gesehen. In einem

Weitere Kostenlose Bücher