Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Der Mann, der ins KZ einbrach

Der Mann, der ins KZ einbrach

Titel: Der Mann, der ins KZ einbrach Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Rob Broomby Denis Avey
Vom Netzwerk:
die Achslager, damit sie heißliefen und schneller ersetzt werden mussten. Wir verbogen die Schaufeln an Kühllüftern, damit sie vibrierten und nach und nach die Maschine beschädigten. Wir klemmten spitze Steine unter Elektrokabel, die wir unterirdisch verlegten, in der Hoffnung, dass sie irgendwann die Isolierung durchstachen und die Leitung lahmlegten. Als wir die riesigen Gasometer vernieten sollten, entwickelten wir eine Methode, den Kopf der Niete mit der Hammerfinne so zu bearbeiten, dass sie sauber gesetzt wirkte, in Wirklichkeit aber Spiel hatte, sodass sie sich mit der Zeit lockerte und ein Leck entstand. Ich schlich mich auf die Höfe der Bauunternehmer, suchte die Sauerstoffflaschen für das Autogenschweißen, öffnete mit einem Schlüssel die Ventile und ließ das Gas ausströmen. Freigesetztes Acetylen roch man, Sauerstoff nicht. Es war die perfekte Sabotage. Zum ersten Mal seit meinen Wüstentagen konnte ich meine technischen Kenntnisse einsetzen. Auf diese Weise machte ich mich gerne nützlich.
    Paulina tat noch mehr für mich, als Informationen zu beschaffen. Sie besorgte mir mehrmals richtige Mahlzeiten und brachte sie mir auf einem Teller. Ich weiß nicht, woher das Essen kam, aber ich genoss es in vollen Zügen. Paulina mochte mich, aber mehr war nicht zwischen uns. Als sie mir ein Foto von sich schenkte, behielt ich es immer bei mir. Ich trug es in meiner Uniform, brachte es später mit nach Hause und besitze es noch heute. Sie schenkte mir auch einen schlichten Siegelring mit den mysteriösen Initialen FD und der Jahreszahl 1943. Selbst solche unbedeutenden Geschenke waren in Auschwitz selten und von außergewöhnlichem menschlichen Wert. Ich trug den Ring, bis ich wieder in der Heimat war.
    Viele unserer Sabotageakte hätten wir ohne Paulina nie zuwege gebracht. Was wir taten, zielte auf eine allmähliche, schleichende Wirkung ab. Das musste so sein, denn alles Spektakuläre wäre entdeckt worden, und irgendjemand hätte dafür gezahlt. Dieses Risiko konnten wir nicht eingehen.
    Die Ausschachtungsarbeiten für die Buna-Gummifabrik waren im April 1941 begonnen worden. Heinrich Himmler, der Reichsführer- SS , hatte den IG Farben Tausende von Zwangsarbeitern versprochen, die das Werk errichten sollten. Doch keine einzige Lieferung synthetischen Gummis hat die Fabrik je verlassen. Ich hoffe, dass wir damals unseren Beitrag dazu geleistet haben.
     

     
    Tag und Nacht waren wir von Brutalität und Unmenschlichkeit umgeben. Einmal blickte ich in Richtung der Kantinengebäude der IG -Farben-Baustelle und sah, wie ein jüdischer Häftling in einer Mülltonne nach etwas wühlte, das er essen oder eintauschen konnte, nach schimmligem Gemüse vielleicht, nach einem Zigarettenstummel oder einem Stück Draht.
    Er bewegte sich wie in Zeitlupe. Hunger und Erschöpfung hatten seine Sinne abgestumpft; nur das Verlangen nach Nahrung war noch lebendig. Für ihn hieß es essen oder sterben.
    Mir blieb keine Zeit, ihn zu warnen. Die uniformierte Wärterin, von denen es auf dem Gelände nur sehr wenige gab, sah der Mann erst, als sie direkt hinter ihm stand. Sie streckte ihn mit einem Hieb zu Boden und stellte sich breitbeinig über ihn. Viel brauchte es nicht mehr, um ihn zu töten: Sie nahm einen großen Stein auf, hob ihn in ihren lederbehandschuhten Händen über den Kopf und zerschmetterte dem Mann den Schädel.
    Sie war nicht die einzige Wärterin, die ich sah. Jemand machte mich auf eine Frau in einer maßgeschneiderten Uniform aufmerksam, die in einer Gruppe das Lager durchquerte. Ihre harte Miene entstellte ihr jugendliches Gesicht. Mir kam zu Ohren, dass es sich um Irma Grese handelte, die berüchtigte Aufseherin aus dem Vernichtungslager Auschwitz-Birkenau am anderen Ende der Stadt. Für ihre sadistischen Taten büßte sie im Dezember 1945 am Strang.
    Einige SS -Wärter waren alt oder kriegsversehrt, aber ich hatte keinerlei Sympathien für irgendeinen von ihnen. Sie waren nicht das Afrikakorps. Sie sahen, was in Auschwitz vor sich ging. Es ließ sich nicht verbergen.
    Einmal kam ein SS -Mann zu mir, als ich im Freien arbeitete. Er hatte hohle Augen und einen steifen Arm. Der Mann stellte sich neben mich und begann mit sich selbst zu reden, wobei er mit leerem Blick vor sich hin starrte. Er war MG -Schütze an der Ostfront gewesen und erzählte von einem russischen Großangriff, der mit dem Pfiff einer Pfeife begonnen hatte. Sie kamen zu Tausenden, sagte er, und egal, wie viele er mit dem MG

Weitere Kostenlose Bücher