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Der Mann, der ins KZ einbrach

Der Mann, der ins KZ einbrach

Titel: Der Mann, der ins KZ einbrach Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Rob Broomby Denis Avey
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persönlich herabgesetzt und lebte in einem Zustand ständiger Unmoral.
     

     
    Für die jüdischen KZ -Häftlinge hatte alles, was eingetauscht werden konnte, einen unschätzbaren Wert. Es konnte ihr Leben verlängern. Sie mussten eine Möglichkeit finden, sich jeden Tag zusätzliche Kalorien zu sichern, sonst hatten sie keine Chance. Allerdings mussten sie dabei ungeheure Risiken auf sich nehmen.
    Im Vergleich zu ihnen waren wir privilegiert, aber auch nur im Vergleich. Wir erstritten uns hin und wieder einen freien Sonntag, und uns wurden kleine Erleichterungen zugestanden. Allerdings musste ich zuvor erst unerwartet mit einem der Vorgesetzten auf der IG -Farben-Baustelle in Streit geraten.
    Halbwissen kann gefährlich sein. Nur Brocken einer Sprache zu beherrschen, kann an einem Ort wie Auschwitz in den Tod führen. Ich hatte einem der Bauleiter ins Gesicht gesagt, er sei ein »Schwindler«, weil er uns ohne Pause sieben Tage die Woche schuften ließ. Der Kerl war außer sich vor Wut. Als die Wärter gerufen wurden, um mich abzuführen, wusste ich, dass ich die Wirkung dieses Wortes unterschätzt hatte.
    Am Ende wurde ein Dolmetscher gerufen, um zu vermitteln, ein schottischer Soldat, der ein besseres Deutsch sprach als ich. Er erklärte, dass es im Englischen eine milde Zurechtweisung sei, jemanden »swindler« zu nennen, etwa so, als würde man »Schlingel« zu ihm sagen. Im Deutschen war es eindeutig schlimmer. In Wirklichkeit war auch »Schwindler« noch sehr milde gegenüber dem, was ich wirklich dachte, aber das Argument des Schotten glättete die Wogen. Ich hatte noch mal Glück gehabt.
    Jedenfalls leisteten wir Schwerstarbeit, um kriegswichtige Güter für die Deutschen zu produzieren, und das machte uns stinksauer. Wir beschwerten uns, dass es gegen die Genfer Konvention verstoße, uns zur Arbeit zu zwingen. Zu meinem Erstaunen wurde diese Beschwerde weitergereicht, und wir wurden in ein Bürogebäude auf dem Gelände der IG Farben bestellt. Ich gehörte zu den fünf Mann, die ausgesucht wurden, unseren Standpunkt zu vertreten. Ich konnte kaum glauben, dass man überhaupt bereit war, uns anzuhören, aber wir wurden in ein Büro geführt. Dort allerdings mussten wir feststellen, dass ein höherer Offizier der Besprechung vorsaß. Das war kein gutes Zeichen.
    Er hörte sich unsere Beschwerde an. Dann zog er seine Pistole aus der Tasche an seinem Koppel, knallte sie auf den Tisch und sagte: »Das hier ist meine Genfer Konvention. Sie machen, was ich sage.«
    Wir wurden wieder an die Arbeit geschickt. Von nun an aber waren wir entschlossen, alles zu tun, um den Deutschen ein paar Knüppel zwischen die Beine zu werfen.
    Ich musste oft Botengänge für einen deutschen Ingenieur erledigen. Er trug einen weichen Filzhut und Schaftstiefel oder Gamaschen, wenn er auf der Baustelle war, und er war redselig und schien mich sympathisch zu finden. Wir hatten Pläne gemacht, die Arbeit zu sabotieren, zu der die Deutschen uns zwangen, und dass der Mann mich mochte, erleichterte uns die Sache. Durch ihn lernte ich auch Paulina kennen, eine junge ukrainische Zivilarbeiterin, die in seinem Büro beschäftigt war. Nach dem deutschen Überfall auf die Sowjetunion hatten die Nazis sie und viele andere Ukrainerinnen quer durch Europa verschleppt und zur Arbeit gezwungen. Zivilarbeiter hatten größere Freiheiten als die jüdischen Häftlinge. Sie trugen keine gestreifte Häftlingskleidung und waren nicht zur Vernichtung vorgesehen, aber auch ihr Leben hing an einem seidenen Faden. Sie brauchten Mut, um uns zu helfen, und Paulina half uns sehr. Sie kam vom Schwarzen Meer, war jung und hatte ein breites Gesicht und welliges blondes Haar. Sie verriet uns, wann Sonderlieferungen von Maschinen oder Maschinenteilen erwartet wurden, damit wir versuchen konnten, den Transport zu sabotieren.
    Wenn es zu schwierig war, im Büro des Ingenieurs zu reden, trafen wir uns in einem kleinen Kesselhaus. Der Heizer war ebenfalls Zwangsarbeiter, und ich warnte ihn jedes Mal vor. Er wusste, was los war, aber er zog uns dennoch auf, indem er die Finger ineinanderhakte und anzüglich »Amour, amour« wisperte.
    Der Heizer hatte eine Wellblechplatte in der Wand hinter dem Kessel losgeschraubt, sodass einer von uns entkommen konnte, falls die SS in den Schuppen kam. Das war aber nie der Fall.
    Was Paulina uns mitteilte, war Gold wert. Wir tauschten Schilder an Eisenbahnwaggons aus, damit sie zu falschen Bestimmungsorten fuhren. Wir streuten Sand in

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