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Der Mann, der kein Mörder war

Der Mann, der kein Mörder war

Titel: Der Mann, der kein Mörder war Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Michael Hjorth , Rosenfeldt
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Beatrice nickte. Wurden ihre Augen ein wenig feucht? Er hatte genau den richtigen Ton getroffen. Unglaublich, wie gut er war … Er musste sich ein Lächeln verkneifen, als Beatrice zur Seite trat, um ihn hereinzulassen.
     
     
    Der Mann, der kein Mörder war, klopfte sein Kissen zurecht. Er war müde. Es war ein langer und in mehrfacher Hinsicht anstrengender Tag gewesen. Er ertappte sich dabei, ständig daran zu denken, dass er sich natürlich verhalten musste. Was wiederum dazu führte, dass er Angst davor hatte, sich zu sehr anzustrengen und sich aus diesem Grund unnatürlich zu verhalten. Also versuchte er, nicht daran zu denken, sich natürlich verhalten zu müssen, was nach einer gewissen Zeit jedoch dazu führte, dass er das Gefühl hatte, sich unnatürlich zu verhalten – und so dachte er erneut daran. Es war ermüdend. Außerdem hatte die Polizei Leonard Lundin auf freien Fuß gesetzt. Das bedeutete, dass sie wieder aktiver nach einem anderen suchten. Nach ihm.
    Der Mann, der kein Mörder war, machte es sich auf dem Rücken bequem und faltete die Hände. Ein kurzes Abendgebet vor dem Schlafen. Ein Dank dafür, dass er die Kraft erhalten hatte, noch einen Tag durchzuhalten. Ein Wunsch, dass das Leben so bald wie möglich wieder normale Formen annehmen würde, alltäglich würde. Irgendwo hatte er gelesen, dass die ersten vierundzwanzig Stunden in einem Mordfall die wichtigsten seien, um den Mörder zu finden. Hier hatte man erst nach drei Tagen angefangen, überhaupt nach dem Jungen zu suchen. Diese Verzögerung konnte nur bedeuten, dass seine Tat gerechtfertigt war. Zum Abschluss seines Gebets formulierte er noch den Wunsch, er möge die ganze Nacht durchschlafen und nicht wieder träumen. So wie letzte Nacht.
    Es war ein so merkwürdiger Traum gewesen: Er stand hinter dem Wall am Fußballplatz, der von Autoscheinwerfern erleuchtet war. Der Junge lag vor ihm auf dem Boden. Blutüberströmt. Der Mann, der kein Mörder war, hielt das verstümmelte Herz in seiner Hand. Es war noch immer warm. Hatte es geschlagen? Ja, im Traum schon. Ein langsames Pochen, abnehmend. Ersterbend.
    Jedenfalls hatte er sich im Traum nach rechts gewandt, im plötzlichen Bewusstsein, dass dort jemand stand, nur wenige Meter entfernt. Vollkommen still. Er war sich sicher, wer es war. Wer hätte es sonst sein sollen. Aber er täuschte sich. Denn zu seiner Verwunderung sah er seinen Vater, der stumm dastand und ihn betrachtete. Obwohl es ein Traum war, entstand ein Gefühl der Unwirklichkeit. Sein Vater war schon viele Jahre tot. Der Mann, der kein Mörder war, machte eine Geste in Richtung des blutenden Jungen.
    «Steh nicht einfach rum. Willst du mir nicht helfen?»
    Seine Stimme war hell und überschlug sich wie die eines verzweifelten Kindes. Der Vater rührte sich nicht vom Fleck, beobachtete die Szene lediglich mit seinen starrgrauen Augen.
    «Manchmal ist es das Beste, darüber zu reden, wenn man Sorgen hat.»
    «Worüber reden? Was gibt es zu reden?!», schrie der Mann, der kein Mörder war, mit seiner kindlichen Stimme. «Der Junge ist tot. Ich halte sein Herz in den Händen. Hilf mir!»
    «Mitunter sagt man aber auch zu viel, wenn man darüber redet.»
    Dann war der Vater verschwunden.
    Der Mann, der kein Mörder war, sah sich um. Verwirrt, ängstlich und enttäuscht.
    Sein Vater konnte doch nicht einfach verschwinden. Nicht jetzt. Er musste ihm helfen. Wie er es immer getan hatte. Das war er ihm verdammt nochmal schuldig. Doch der Vater blieb verschwunden, und der Mann, der kein Mörder war, bemerkte, dass das Herz, das er noch immer hielt, erkaltet war. Kalt und starr.
    Dann war er aufgewacht und hatte nicht wieder einschlafen können. Er hatte tagsüber immer wieder an den Traum gedacht. Was hatte er zu bedeuten, falls er überhaupt etwas bedeutete? Doch mit den Stunden verblasste die Erinnerung daran immer mehr.
    Jetzt musste er schlafen. Er brauchte die Erholung, denn er musste den anderen immer einen Schritt voraus sein. Der Tipp, den er von der Schule aus geschickt hatte, hatte nicht das gewünschte Ergebnis gebracht. Irgendwie musste die Polizei sich gedacht haben, dass Leonard die Jacke nicht selbst in der Garage versteckt hatte. Dass sie ein gefälschtes Indiz war. Was sollte er jetzt tun? Er las alles, was er an Berichten über den toten Jungen finden konnte, aber da stand nicht viel Neues. Er überlegte, ob er jemanden bei der Polizei kannte, der ihm ein paar Insiderinformationen zukommen lassen könnte, aber

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