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Der Mann, der kein Mörder war

Der Mann, der kein Mörder war

Titel: Der Mann, der kein Mörder war Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Michael Hjorth , Rosenfeldt
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Rogers Zuhause?»
    «Doch, ich glaube schon. Er müsste hinter der Anhöhe wohnen.» Vanja zeigte auf die großen Hochhäuser. «Einen halben Kilometer entfernt vielleicht.»
    «Dann ist das hier eine ziemlich gute Abkürzung, oder?», fragte Sebastian. Die anderen nickten. Torkel sah ihn an und kratzte sich an der Wange. Er bemerkte, dass er heute Morgen vergessen hatte, sich zu rasieren.
    «Was vermutest du also? Roger wurde hier von einem Auto abgesetzt und … was dann?»
    Alle Blicke waren auf Sebastian gerichtet, genau, wie er es liebte.
    «Lisa sagte, dass Roger losging, um jemanden zu treffen …»
    Der Fahrer, der in nicht allzu ferner Zukunft zu einem Mörder wird, wartet im Auto und hupt kurz, als er Roger auf der anderen Straßenseite entlanggehen sieht. Roger überquert die Straße, und nach einem Gespräch durch das heruntergekurbelte Fenster steigt er in den Volvo ein, der anschließend losfährt. Während sie durch die Gegend kurven, diskutieren Roger und der Fahrer. Sie gelangen nicht zu einer Einigung. Der Fahrer biegt auf den Parkplatz beim Fußballplatz ein, und Roger steigt aus. Möglicherweise hat er die Situation missverstanden und ist siegessicher. Vielleicht erlebt er sie aber auch als unbehaglich und beeilt sich nun, über den Platz und nach Hause zu kommen. Was auch immer er empfindet – er ahnt jedenfalls nicht, was sich hinter seinem Rücken abspielt. Der Fahrer durchdenkt die Situation. Er sieht keine Lösung, oder besser gesagt: Er sieht nur eine Lösung. Er fasst einen schnellen, unbedachten Beschluss, verlässt das Auto, öffnet den Kofferraum und holt ein Gewehr heraus. Roger überquert gerade den Fußballplatz, ohne zu wissen, dass jemand vom Parkplatz aus mit dem Gewehr auf ihn zielt. Der Abstand ist nicht zu groß, insbesondere dann nicht, wenn jemand mit Waffen umgehen kann. Ein Jäger oder ein Sportschütze. Der Fahrer drückt ab. Roger sackt zu Boden. Der Fahrer begreift, dass man die Kugel zurückverfolgen kann. Er rennt über den Rasen und schleift Roger in den schützenden Wald. Hastet zurück, fährt mit dem Auto dorthin, holt die Kugel heraus, sticht auf die Leiche ein, hievt sie ins Auto und fährt sie anschließend an einen versteckten Ort, wo er sie im Wasser versenkt.
    Sebastian verstummte. Drüben auf der Straße fuhren vereinzelt Autos vorbei, im Wald zwitscherte ein Vogel. Torkel brach das Schweigen.
    «Du sprichst von einem Sportschützen. Glaubst du immer noch, dass es der Rektor war?»
    «Es ist nur eine Theorie. Und jetzt könnt ihr eure Spurensicherung ohne mich fortsetzen.» Sebastian entfernte sich in Richtung der Hochhäuser. Torkel sah ihm nach.
    «Wo willst du hin?»
    «Zu Lena Eriksson, ich will wissen, ob Roger diese Abkürzung häufiger benutzte. Falls er es tat, stärkt das meine Theorie und erhöht die Chancen, dass jemand ihn und das Auto bei anderer Gelegenheit gesehen hat.»
    Die anderen nickten. Sebastian hielt inne und drehte sich mit einer einladenden Geste um.
    «Will jemand mitkommen?»
    Niemand bot sich an.
    Sebastian hatte den kleinen, ausgetretenen Pfad, der zu der Anhöhe mit den grauen Hochhäusern führte, schnell gefunden. Er mündete kurz darauf in einen asphaltierten Fußweg, der sich weiter nach oben und zwischen den Häusern hindurchwand. Sebastian meinte sich zu erinnern, dass die Häuser gebaut wurden, als er noch auf die Palmlövska ging, aber er war ihnen noch nie so nahe gekommen wie jetzt. Sie lagen am falschen Ende der Stadt, und außerdem hatten seine Eltern die angeborene Aversion der Mittelklasse gegen Mietwohnungen. Anständige Menschen wohnten in eigenen Häusern. Hinter sich sah er, wie weitere Polizeiwagen am Fußballplatz ankamen. Sie würden lange dort bleiben, das wusste er. Er hatte Vorbehalte gegen die kriminaltechnische Seite der Polizeiarbeit. Sein Verstand sagte ihm zwar, wie wichtig sie war, sie schaffte unzweifelhafte Beweise, die vor Gericht häufig entscheidend waren und zu mehr Verurteilungen führten als sein eigenes Fachgebiet. Die psychologischen Beweise, wenn man sie überhaupt als solche bezeichnen durfte, waren hingegen mehrdeutiger und konnten in Frage gestellt, hin und her gewendet und widerlegt werden, insbesondere von versierten Strafverteidigern. Es handelte sich mehr um Arbeitshypothesen und Theorien über die dunklen Antriebskräfte des Menschen, was eher in den Voruntersuchungen nützlich war als im hellerleuchteten Gerichtssaal. Doch für Sebastian war der Beweis nie das Wichtige

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