Der Mann, der kein Mörder war
peinlich war, dennoch versuchte Hanser, ihren Fehltritt zu rechtfertigen.
«Sie wussten das ja ohnehin schon.»
«Darum geht es nicht.
Wir
entscheiden, wie viel wir vor den Journalisten preisgeben, nicht umgekehrt – das ist das Prinzip. Jetzt werden sie an der Schule den reinsten Zirkus veranstalten.»
Und genau das hatte Torkel vermeiden wollen, schließlich war das Gymnasium zu einem potenziellen Fundort geworden. Es gründlich zu durchsuchen, war eine der ersten Maßnahmen, die Torkel nach Sebastians grausigem Fund in Absprache mit Billy und Ursula veranlasst hatte. In Groths Haus hatte ein geradezu verdächtiger Mangel an persönlichen Gegenständen geherrscht, von Beweisen ganz zu schweigen. Der Volvo war auf die Stiftung des Palmlövska-Gymnasiums zugelassen, sodass nun selbstverständlich das ganze Gebäude in eine Hausdurchsuchung mit einbezogen werden musste. Es war der einzige ihnen bekannte Ort, zu dem Groth ungehindert Zugang hatte. Torkel traf schnell den Beschluss, Ursula dorthin zu schicken, nachdem sie ihre vorläufige Untersuchung des Tatorts abgeschlossen hatte. Aber sie sollte nicht allein fahren, Sebastian würde sie begleiten.
Zu Torkels Erstaunen protestierte Ursula nicht einmal. Die Chance, den Fall zu lösen und die einzelnen Puzzleteile so schnell wie möglich zusammenzufügen, war wichtiger als ihr Ego. Sebastian kannte die Schule und ihre Räumlichkeiten am besten. Ursula bot ihm sogar einen Platz auf dem Beifahrersitz an.
Aber sie redeten auf dem Weg dorthin nicht miteinander.
Es musste eine Grenze geben.
Billy fühlte sich von den Ereignissen völlig abgekoppelt, da man ihn allein im Büro zurückgelassen hatte. Torkel hatte ihn gebeten, den dunkelblauen S60 ausfindig zu machen. An der Schule stand er nicht, das hatten sowohl Ursula als auch das Sekretariat des Rektors bestätigt. Daher schickte Billy eine Suchmeldung an sämtliche Polizeistreifen hinaus und beschloss, wenigstens zur Wohnung von Lena Eriksson zu fahren. Er hatte getan, was er konnte, und wollte sich nun einen eigenen Eindruck vom neuen Tatort verschaffen. Als er durch das Präsidium lief, wirkte es noch verlassener als sonst. Billy vermutete, dass Torkel einen Großteil des Personals losgeschickt hatte, um die Tatorte und das Schulgelände abzusperren. Es gab plötzlich so viele Orte, die untersucht werden mussten. Der Fußballplatz, Lenas Wohnung, die Schule sowie noch einmal Groths Haus. Ein vierblättriges Kleeblatt der Möglichkeiten, das sie gleichzeitig nur schwer in den Griff bekommen konnten. Torkel war gezwungen, Prioritäten zu setzen, welche Orte sie selbst analysieren und welche sie der Spurensicherung der Västeråser Polizei überlassen sollten. Billy hatte ein Kribbeln in der Magengegend, als er den Wagen startete. Zum ersten Mal seit langem hatte er das Gefühl, dass die Lösung im Fall Roger Eriksson in Reichweite war. Mit einem Mal schien alles zu ihren Gunsten zu verlaufen – und so sollte es auch weitergehen.
Als Billy gerade in die Straße zu Lena Erikssons Wohnung einbiegen wollte, informierte ihn eine Polizeistreife, dass der gesuchte Wagen vor genau dem Haus stand, zu dem er gerade fuhr. Eine halbe Minute später parkte Billy hinter dem Volvo und rief Torkel an, um von dem Fund zu berichten. Torkel hielt sich gemeinsam mit Vanja in Lenas Wohnung auf und hatte soeben einen passenden Autoschlüssel für einen Volvo in der Tasche des Rektors entdeckt.
Es schien tatsächlich alles zu ihren Gunsten zu verlaufen.
Ursula und Sebastian hatten sich dreißig Minuten lang durch das Schulgebäude gearbeitet und standen nun vor der schmutzig grauen Tür des Schulkellers. Eine Tür, die weder der Hausmeister noch die Sekretärin kannten, die sie begleiteten. Zu Sebastians Schulzeit war dort ein Luftschutzkeller gewesen, aber heutzutage konnte niemand mehr mit Sicherheit sagen, wofür der Raum eigentlich genutzt wurde. Das Personal war nicht gerade hilfsbereit. Sowohl der Hausmeister als auch die Sekretärin baten darum, erst mit dem Rektor sprechen zu dürfen, bevor sie halfen, irgendeine Tür zu öffnen. Sebastian musterte die beiden und musste daran zurückdenken, wie vorsichtig das Personal damals schon seinem Vater gegenüber gewesen war. Und das Wort Vorsicht reichte im Grunde nicht aus. Der Respekt oder gar die Furcht vor Autoritäten schien tief in dem Schulgebäude verankert. Aber jetzt reichte es.
«Lassen Sie es mich so ausdrücken. Ich weiß, dass es Ragnar Groth
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