Der Mann, der kein Mörder war
hörst du mich? Wir können den Rektor jetzt festnehmen!»
«Das ist nicht nötig … Er ist hier.»
Sebastian ließ das Handy sinken und starrte Ragnar Groth an, der in Rogers Zimmer vom Lampenhaken baumelte.
Ragnar Groth starrte mit toten Augen zurück.
D en Rest des Tages arbeiteten sie hart. Waren so schnell und effektiv wie möglich, ohne nachlässig zu werden. Die Ereignisse des Tages erforderten eine unerbittliche Konzentration. Sie hatten so lange auf den Durchbruch gewartet, und jetzt schienen sie nur noch wenige Schritte von der Lösung entfernt. Nichts durfte schiefgehen. Rein gar nichts – und das war eine schwer zu bewältigende Aufgabe. Sie brauchten Zeit, um die verschiedenen Informationen abzugleichen und Material und Funde kriminaltechnisch zu bestätigen, und gleichzeitig sollte alles blitzschnell erledigt werden.
Torkel hatte versucht, die Presse so lange wie möglich fernzuhalten. Sie hätten keinen Vorteil davon, wenn Informationen über den Tatort oder die zwei Toten in der Wohnung öffentlich gemacht wurden. Doch wie in allen komplizierten Ermittlungen mit vielen Beteiligten drang die Nachricht von Rektor Groths Tod schnell nach außen. Wilde Spekulationen brachen los. Insbesondere die Lokalpresse schien eine gutunterrichtete Quelle bei der Polizei zu haben, sodass sie es sich bald nicht mehr länger erlauben konnten, Einzelheiten zurückzuhalten. Torkel und Hanser beriefen eine gemeinsame Pressekonferenz ein, um danach wieder etwas mehr Ruhe bei der Arbeit zu haben. Torkel, der normalerweise sehr vorsichtig in seinen Aussagen war, hatte beschlossen, einen baldigen Durchbruch in dem Fall zu versprechen, nachdem er gemeinsam mit Ursula und Hanser die vorläufigen Ergebnisse zusammengetragen hatte.
Als sie ankamen, war der Raum bereits bis zum Bersten mit Journalisten gefüllt, und Torkel verschwendete keine Zeit mit Plaudereien.
Zwei weitere Menschen, eine Frau und ein Mann, waren tot.
Die Frau war eine nahe Angehörige des ermordeten Roger Eriksson, und mit großer Wahrscheinlichkeit war sie von dem Mann umgebracht worden, den man ebenfalls tot aufgefunden hatte.
Vieles deutete darauf hin, dass sich dieser Mann, der in ihren Ermittlungen schon früher eine wichtige Rolle gespielt hatte, nach dem Tod der Frau das Leben genommen hatte.
An einem Punkt wurde Torkel allerdings deutlich: Bei dem Verdächtigen handelte es sich
nicht
um den Jugendlichen, der zu einem früheren Zeitpunkt in Untersuchungshaft gesessen hatte. Er war nach wie vor vom Tatverdacht befreit. Torkel betonte das noch einmal, bevor er seine kurze Ausführung beendete.
Es war, als hätte man einer Horde Wespen ein Glas Sirup vorgesetzt. Hastig schossen Hände in die Luft, es hagelte Fragen. Alle redeten drauflos, ohne darauf zu achten, was die anderen sagten, man forderte Antworten. Einzelne Fragen konnte Torkel heraushören, sie wiederholten sich ohnehin ständig.
Stimmten die Gerüchte, dass es sich bei einem der Opfer um den Rektor des Palmlövska-Gymnasiums handelte?
War er der Tote, den sie gefunden hatten?
War die ermordete Frau Rogers Mutter?
Torkel fiel mit einem Mal auf, was für ein spezielles Spiel zwischen den beiden Parteien in dem engen, warmen Raum gespielt wurde. Auf der einen Seite die Journalisten, die im Prinzip genauso gut informiert waren wie diejenigen, denen sie ihre Fragen stellten. Auf der anderen Seite die Polizei, deren eigentliche Aufgabe lediglich darin bestand, das bereits Bekannte offiziell zu bestätigen. Die einen kannten die Antwort bereits, die anderen die Fragen.
Das war nicht immer so eindeutig gewesen, aber Torkel hatte schon lange keine Ermittlungen mehr erlebt, bei denen überhaupt nichts an die Öffentlichkeit gesickert war. Sobald die Informationen seine kleine Gruppe verlassen hatten, gab es immer irgendwo ein Leck.
Torkel antwortete so ausweichend wie möglich und verwies stur auf das prekäre Stadium der Ermittlungen. Er war es gewohnt, die Fragen der Journalisten zu umgehen. Wahrscheinlich war er deshalb nicht sonderlich beliebt bei ihnen. Hanser fiel es dagegen schwerer zu widerstehen. Torkel konnte es nachvollziehen. Es war ihre Stadt, ihre Karriere, und der Reiz, die Reporter lieber zum Freund zu haben, als sie sich zum Feind zu machen, war am Ende zu groß für sie.
«Ich kann nur so viel sagen, dass ein Teil der Spuren auf die Schule verweist», setzte sie an, als Torkel sich schnell in ihrer beider Namen bedankte und sie wegzog. Er bemerkte, dass es ihr
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