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Der Mann, der kein Mörder war

Der Mann, der kein Mörder war

Titel: Der Mann, der kein Mörder war Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Michael Hjorth , Rosenfeldt
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gemocht. Vermutlich lag es daran, dass es eines der wenigen Bilder aus seiner Jugend war, vielleicht sogar das einzige, auf dem er wirklich glücklich aussah. Doch nicht das Bild von ihm auf seiner Puch Dakota hatte seine Aufmerksamkeit geweckt. Unter dem Rahmen lugte ein eingeklemmter Zeitungsausschnitt hervor. Auf ihm war Lily in ihren weißen Krankenhauskleidern zu sehen. Sie hielt ein kleines, schlafendes Baby in den Armen, und unter dem Bild stand auf Deutsch «Eine Tochter» und ein Datum. 11. August 2000. Darunter: sein Name und der von Lily. Sebastian löste den Ausschnitt aus dem Rahmen und untersuchte ihn vorsichtig.
    Er erinnerte sich daran, wie er das Foto gemacht hatte, und nahm plötzlich beinahe den Geruch des Krankenhauses und den Atem der beiden wahr. Lily hatte ihn angelächelt. Sabine schlief.
    «Wie zum Teufel bist du da rangekommen?»
    Sebastian blieb mit dem Ausschnitt in der Hand stehen. Darauf war er vollkommen unvorbereitet. Es hätte nichts in diesem Haus geben dürfen, was ihn daran erinnerte. Doch jetzt stand er mit einem Bild von den beiden im Wohnzimmer. Sie hatten hier nichts zu suchen. Sie gehörten in eine andere Welt. Seine zwei Welten, seine zwei Höllen. Jede für sich allein schon schwer zu bewältigen, aber zusammen – sie durften nichts miteinander zu tun haben. Er ballte wieder und wieder die rechte Faust, ohne es selbst zu bemerken. Der Teufel sollte sie holen! Sogar nach ihrem Tod ließ ihm seine Mutter keine Ruhe! Sebastian spürte, wie er nach Luft rang. Zum Teufel mit ihr! Zum Teufel mit dem ganzen Haus! Was sollte er bloß mit diesem ganzen SCHEISS hier anfangen?!
    Sebastian faltete den Zeitungsausschnitt vorsichtig zusammen, legte ihn behutsam in seine Innentasche und ging mit schnellen Schritten in die Küche. Er öffnete die Tür zur Besenkammer und richtig, das Telefonbuch lag auf demselben Regalbrett wie immer. Sebastian nahm es mit ins Wohnzimmer und suchte in den Gelben Seiten nach Immobilienmaklern. Er fing bei A an. Natürlich ging niemand ans Telefon. Die ersten drei Firmen informierten über ihre Bürozeiten und forderten dazu auf, noch einmal anzurufen, die vierte Ansage endete jedoch mit den Worten: «Wenn Sie uns eine Nachricht nach dem Signalton hinterlassen, rufen wir Sie gern zurück.»
    Sebastian wartete den Ton ab.
    «Hier ist Sebastian Bergman. Ich möchte ein Haus verkaufen, mit allem, was sich darin befindet. Ich habe keine Ahnung, wie das abläuft, aber ich will, dass es schnell geht, damit ich diese verdammte Drecksstadt so bald wie möglich wieder verlassen kann. Ich scheiße auf das Geld, Sie können also so viele Prozente vom Kaufpreis behalten, wie Sie wollen, Hauptsache, es geht schnell. Falls das für Sie interessant klingt, rufen Sie mich an.»
    Sebastian hinterließ seine Handynummer und legte auf. Dann lehnte er sich im Sessel zurück. Mit einem Mal war er schrecklich müde. Er schloss die Augen und konnte in der Stille sein Herz schlagen hören. Zumindest hatte er den Eindruck.
    Es war zu still. Er war einsam. Langsam ließ er seine Hand zur Brusttasche seines Hemdes wandern, wo die Visitenkarte der Frau aus dem Zug steckte. Wie spät war es eigentlich? Zu spät. Wenn er jetzt anrief, konnte er sie gleich fragen, ob sie mit ihm vögeln wolle. Aber das würde bei ihr nicht funktionieren, das wusste er. Er würde lediglich den Vorsprung verlieren, den er sich bereits erarbeitet hatte, und wäre nicht nur gezwungen, wieder bei Null anzufangen, sondern sogar im Minus. So interessiert war er dann doch nicht an ihr. Er holte tief Luft und atmete ganz langsam wieder aus. Und noch einmal. Mit jedem Atemzug spürte er, wie schwer die Müdigkeit auf ihm lastete. Er würde niemanden anrufen, sondern einfach nichts tun. Er würde schlafen. Er musste schlafen.
    Bis der Traum ihn weckte.

T orkel saß im Speisesaal des Hotels und frühstückte. Billy war bereits ins Präsidium gefahren, um den Raum vorzubereiten, Vanja hatte er noch nicht zu Gesicht bekommen. Draußen vor dem Fenster eilten die Västeråser an diesem grauen, bewölkten Frühsommertag zur Arbeit. Torkel überflog die Tageszeitungen, überregionale wie regionale. Alle berichteten über den Mord. Die überregionalen Zeitungen nur knapp, ihnen ging es hauptsächlich darum, die Fakten zu aktualisieren. Sie erwähnten, dass die Reichsmordkommission eingeschaltet worden war und dass es sich laut polizeinahen Quellen um einen Ritualmord handeln könne, da das Herz des Opfers fehle. Torkel

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