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Der Mann der nicht zu hängen war

Der Mann der nicht zu hängen war

Titel: Der Mann der nicht zu hängen war Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Pierre Bellemare
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Heute ist der Himmel ganz klar. In Begleitung eines italienischen Kletterers steigt Oelz noch einmal auf. Zwei Gruppen folgen ihm.
    Die eine hat diese provisorische Tragbahre dabei. Nachmittags erreichen Oelz und der Italiener einen Grat oberhalb des Felsvorsprungs, wo Judmaier liegt. Sie sehen ihn. Er bewegt sich nicht. Auch nicht, als sie laut rufen. Keine Antwort. Judmaier ist jetzt fast fünfzig Stunden allein. Und die Nächte waren eisig. Wie hätte er da überleben sollen?
    Aber Judmaier lebt noch. Nur — er ist unfähig, sich zu bewegen. Auch nicht, als er die Rufe hört. Oelz und der Italiener sind jetzt bei ihm. Judmaier ist kaum fähig, seine Lippen zu bewegen.
    »Oswald? Ich dachte... du bist... auch abgestürzt.« Oelz gibt ihm sofort eine Spritze. Morphium. Dann versucht er, eine Funkverbindung mit der Hütte herzustellen. zu melden, daß Judmaier lebt. Doch das Funkgerät versagt.
    Und wieder wird es Nacht. Und den beiden Männern bleibt nichts übrig, als bei Judmaier zu bleiben und auf die Rettungsmannschaften zu warten. Erst am nächsten Tag gegen Mittag sind sie endlich da.
    Oelz gibt Judmaier noch eine Spritze und stellt das gebrochene Bein ruhig. Dann binden sie ihn auf den Tragstuhl und hieven ihn auf den Rücken eines kräftigen Engländers. Judmaier ist totenblaß. Der Schmerz geht offensichtlich über seine Kraft.
    »Nein, so schaffen wir es nicht. Setzt den Korb wieder ab! Er stirbt!«
    Oelz versucht alles Menschenmögliche. Doch ohne Blutplasma? Es wird abermals Nacht. Und wieder muß man auf den nächsten Tag warten.
    Allmählich verliert Oelz jede Hoffnung. Es war so schwierig, Judmaier zu erreichen. Und jetzt ist er zu geschwächt, um mit ihm den Abstieg zu wagen. Wird er diese Nacht überhaupt noch überleben? Die einzige Chance wäre der Hubschrauber. Aber dafür müßte man den Verletzten etwas weiter nach unten bringen. Und tatsächlich: am nächsten Morgen, bei Tagesanbruch — neue Hoffnung: Alle horchen auf. Der Hubschrauber ist im Anflug. Der Pilot ist ein Teufelskerl. Er versucht jetzt tatsächlich, etwas weiter oben zu landen! Ein tollkühnes Vorhaben. Der Rotor streift die Felswand, der Hubschrauber zerschellt. Der Pilot — ein 38jähriger amerikanischer Freiwilliger — ist auf der Stelle tot.
    Das war dann wohl die letzte Hoffnung. Judmaier wird mit jeder Stunde schwächer. Mit schweren Erfrierungen, hohem Fieber, vom Delirium gequält, verlangt er unaufhörlich nach Wasser und ist doch unfähig, auch nur einen einzigen Tropfen zu schlucken.
    Oswald Oelz hat alles getan, was nur möglich war. Nicht eine Minute hat er seinen Freund im Stich gelassen. Jetzt aber weiß er, daß ihn nun nichts mehr retten kann. Er bedeckt Judmaier, der bereits im Koma liegt, mit einer Folie.
    Der eigentliche Held dieser Geschichte betritt erst jetzt die Bühne. Es ist der Vater Judmaiers, der in seinem Haus in Innsbruck von alledem nichts weiß. Am frühen Morgen des 1. Oktober ruft ihn ein Freund an:
    »Hast du die Zeitung noch nicht gelesen?«
    »Nein! Was ist?«
    Und schonend erzählt der Freund Vater Judmaier, daß sein Sohn wahrscheinlich tot ist, jedenfalls so gut wie tot, daß er schwer verletzt im Koma in 5000 Meter Höhe liegt und keiner ihn bergen kann.
    Wider Erwarten bleibt Herr Judmaier sehr gefaßt. Er ist nur einen Augenblick lang still. Dann fragt er:
    »Was kann man tun?«
    »Ich fürchte — nichts mehr. Es ist schon alles versucht worden.« Und er erzählt, was in der Zeitung steht.
    »Gut. Danke. Jetzt weiß ich genug. Ich werde ihm helfen !«
    Er legt auf, nimmt den Hörer wieder ab, ruft den Flughafen Wien-Schwechat an und fragt, ob ein Flugzeug mit zehn Plätzen zu chartern wäre.
    »Wann brauchen Sie es?«
    »Sofort!«
    Man bietet ihm eine Propellermaschine an.
    »Zu langsam! Ich brauche eine Düsenmaschine!«
    In Wien-Schwechat verbreitet sich die Neuigkeit wie ein Lauffeuer: Ein Verrückter will sofort eine Düsenmaschine chartern.
    »Wohin ich fliegen will? Nach Nairobi!«
    In Wien ist es an diesem frühen Morgen unmöglich, eine Düsenmaschine zu bekommen. Aber in Zürich gäbe es vielleicht welche.
    »Was für welche?«
    »Eine Caravelle. Eine Mittelstrecken-Düsenmaschine. Bis Nairobi braucht sie zwei Zwischenlandungen.«
    »Keine Zwischenlandung!«
    »Dann kommt nur eine Maschine in Frage: eine Boeing 707.«
    »Gut. Besorgen Sie mir die Boeing!«
    »Aber das kostet Sie ein Vermögen.«
    Herr Judmaier nennt den Namen seiner Bank, damit die Fluggesellschaft sich mit

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