Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Der Mann der nicht zu hängen war

Der Mann der nicht zu hängen war

Titel: Der Mann der nicht zu hängen war Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Pierre Bellemare
Vom Netzwerk:
Für mich ist es wirklich eine bittere Enttäuschung, wenn Sie mich abweisen.«
    »Machen Sie eine offizielle Eingabe über Ihre Botschaft! Dann wird man sehen, ob Ihrem Wunsch entsprochen werden kann. Warum besuchen Sie nicht unsere staatlichen Museen, Herr... Herr...«
    »Carmi — Avner Carmi. Danke für Ihren Rat.«
    Der junge Mann geht. Ihm gefällt das verächtliche Gehabe des Beamten nicht. Er schreitet nachdenklich durch riesige, kalte und leere Büros, bis er endlich an die Sonne kommt. Er soll eine Eingabe über seine Botschaft machen. Seine Botschaft? Ein Staatenloser hat keine Botschaft, ein Staatenloser, der in Jerusalem geboren ist, erst recht nicht. Und im Jahr 1938 ist man staatenlosen Juden gegenüber in Italien nicht sehr entgegenkommend.
     
    Als Hitlerdeutschland den Krieg vom Zaun bricht, lebt der Klavierbauer Avner Carmi in London. Die Erde bebt vom Donnern der Kanonen. Wer interessiert sich da schon für Klaviere. Carmi betrachtet seine Hände. Was soll er tun? Wozu ist ein kleiner Klavierstimmer gut im Wahnsinnskonzert des Zweiten Weltkrieges? Und welches Land soll ein Staatenloser wie er verteidigen? Nur eines — das Land der Freiheit. Ein Land ohne Grenzen. Da steht er also im Rekrutierungsbüro der Britischen Armee und meldet sich freiwillig. 1942 landet er mit der Transportkolonne der 8. Armee Montgomerys in Nordafrika.
    Am 23. Oktober — 21.50 — startet Montgomery von El-Alamein aus seine Offensive auf das Afrikakorps Rommels. Am 4. November kann er Churchill melden: »Die Stellungen des Feindes sind durchbrochen, seine Armee zieht sich zurück!«
    Am 23. Januar ist alles vorbei. Die englische Armee marschiert in Tripolis ein. Drei Monate Krieg und ein zwölf Tage dauernder erbitterter Kampf in der minenverseuchten Wüste, dazu über zweitausend Kilometer Weg liegen hinter ihr. 73 000 Tote, deutsche und italienische Soldaten säumen ihren Weg.
    Carmi war als einfacher englischer Soldat dabei. Es war die Hölle. Aber er hat überlebt und gehört zu einem Trupp in El-Alamein, der das zurückgelassene Material von Rommels geschlagener Armee einsammelt. Tonnen von Ausrüstungsgegenständen, Tanks, Maschinengewehren, LKW, Geländewagen, Schrott aller Art liegen in der Wüste herum. Und mitten drin ein seltsamer Gegenstand, schwer und unförmig. Ein Soldat tritt neugierig mit dem Stiefel dagegen. Es gibt ein merkwürdiges Geräusch. Der Klavierbauer Carmi hört es und wird starr vor Staunen: ein Flügel!
    Ja, ein Konzertflügel in der Wüste. Oder vielmehr das Gespenst eines Flügels, denn seine ursprüngliche Form ist kaum mehr zu erkennen. Ein steinerner Flügel in der Wüste... Er ist mit einer dicken, harten Gipsschicht überzogen. Der Resonanzboden ist voll Sand, und den sandverkrusteten Tasten und Saiten ist kein Ton mehr zu entlocken. Da setzt sich auch Carmi in den Sand. Er könnte heulen: Diese Wilden haben aus einem Flügel eine Art Freiluftbar gemacht — man sieht noch die Ränder von den Gläsern.
    Der andere Soldat, der mit Carmi zu diesen Aufräumungsarbeiten abgestellt ist, schüttelt ihn: »Los Carmi, mach ein Feuer! Wir sollen alles verbrennen, was nicht kriegswichtig ist!«
    Und Carmi fragt ihn:
    »Warum haben sie das gemacht, was meinst du?«
    »Was?«
    »Den Flügel mit Gips überzogen!«
    »Keine Ahnung, wie soll ich das wissen? Wahrscheinlich, damit er in der Wüste nicht kaputtgeht. Die Deutschen sind so verrückt. Die haben den Gips auch noch bemalt, da: Unterschriften, Flugzeuge und Kreuze! Die haben unsere Verluste im Gips aufgelistet, die Dreckskerle! Los, verbrennen wir das Ding!«
    Carmi steht auf. Zärtlich fährt er mit seinen Händen über das Instrument. Ein Flügel, selbst wenn er eingegipst und dadurch lächerlich gemacht ist, ist für ihn immer noch ein Flügel. Wahrscheinlich ist er nichts mehr wert, aber Carmi könnte nicht zusehen, wie er brennt.
    Er rennt zu seinem Offizier: »Entschuldigen Sie, Herr Leutnant, ich habe eine große Bitte! Ich bin von Beruf Klavierbauer, ich liebe Klaviere. Bitte erlauben Sie mir, daß ich dieses hier rette!«
    »Aber Carmi, wir sind im Krieg. Mit sowas können wir uns nicht aufhalten. Irgend jemand muß schon versucht haben, die Gipsschicht abzukratzen. Sehen Sie, da sind Spuren...«
    »Das macht nichts, Herr Leutnant, man kann bestimmt noch darauf spielen. Ich weiß es. Der Klang ist vielleicht nicht ganz so gut, aber ich schwöre Ihnen, daß ich ihn einigermaßen hinkriege. Bitte, verbrennen Sie ihn nicht!«
    »Und

Weitere Kostenlose Bücher